wortwechsel
: #NotMe
Der Männer Hasch-mich

Der Mann an sich hat eine tadellose Vergangenheit – sobald das Thema sexuelle Belästigung aufs Tablett kommt. Wir haben unsere eigenen Kollegen gefragt. Hier LeserInnenreaktionen

Zum Schweigen verdonnert: Fast jede Frau kennt sexuelle Belästigung aus eigener Erfahrung. Foto: Christian Hartmann/reuters

Nicht harmlos

betr.: „Wie konnte ich so ein Arsch sein?“, taz vom 26. 10. 17

Es geht darum, ein anderes Klima zu schaffen, sodass klar wird, dass sexuelle Belästigung nicht als harmloses Freizeitvergnügen gelten kann. Dafür ist der Einsatz gerade auch von Männern nötig, die selbst keine Belästiger sind und nie waren. Genauso wie einer der Autoren schrieb: Wenn jemand den Hitlergruß gezeigt hätte, hätte er darauf reagiert, nicht aber auf Betatschen, dessen Zeuge er wurde. Es bedeutet natürlich nicht, dass mann stets mit voller Vehemenz auf jede blöde Bemerkung reagieren muss, die mann mitbekommt (ein missbilligender Blick in die richtige Richtung ist auch schon hilfreich), sondern darum, dass Belästigung auch ein Thema für Männer sein sollte, über das sie sich austauschen und anderen zu verstehen geben, dass sie es für absolut inakzeptabel halten und zwar nicht erst dann, wenn sie von ihren Kolleginnen (wie jetzt bei der taz) dazu gedrängt werden. Manuela Kunkel, Stuttgart

Kein Streitgespräch

betr.: „#NotMe“,

taz vom 28. 10. 17

Etwas stört mich gewaltig beim Lesen des Artikels von Arno Frank: die Selbstgefälligkeit, mit der er als Mann zurückblickt auf seine tadellose Vergangenheit. Nur an eine Begebenheit erinnert er sich und da war er sehr erstaunt, nicht direkt ein Echo von seiner Begleiterin zu bekommen.

Dabei hätte er beim aufmerksamen Lesen des #MeToo bemerken können, wie subtil solche Dinge oft ablaufen und empfunden werden. Oder wie reagiert die Auszubildende im OP, die sich Anzüglichkeiten ihres Arztes anhören muss? Langt sie über den OP-Tisch? Die Gegebenheiten und äußeren Bedingungen machen es schlicht unmöglich, so zu reagieren. Und auch in anderen Situationen lässt sich eine Ohrfeige nicht ohne Weiteres platzieren.

Ich denke schon, dass die Bewegung, die sich im Internet unter verschiedenen Überschriften gebildet hat, ihre Wirkung zeigen wird. Vielleicht weil klar wird, dass Frauen nicht per se passiv sind und alles schlucken (werden). Dafür braucht es diesen Aufschrei, dafür braucht es keine „Streitgespräche“ – was gäbe es bitte zu diskutieren? Kathrin Becker, Friedrichsthal

Nicht Hollywood

betr.: „Wie konnte ich so ein Arsch sein?“, taz vom 26. 10. 17

Liebe taz-Männer, als Christ weiß ich um die befreiende Kraft des Bekennens. Nicht zu unterschätzen übrigens auch die reinigende Kraft des Bekennens gegenüber dem Opfer der eigenen Tat selbst. Oder dem Opfer der eigenen Untätigkeit. Wolltet Ihr Euch wirklich in der Nähe zur kirchlichen Seelsorge bewegen?

Euer Anliegen ist es, den Dialog anzuschieben. Nur seid es nicht Ihr, die taz-Männer und taz-Frauen, die den Dialog entfacht haben über ein Thema das immer aktualisiert werden muss:

Respekt vor sexueller Selbstbestimmung.

Es waren Schauspielerinnen, die sich von einem Treffen mit Harvey Weinstein einiges erhofft hatten: Filmengagements, Ruhm, rote Teppiche. Die haben sich jetzt an die Öffentlichkeit gewagt und das Thema lanciert. Als „ihr“ Thema. Wenn die Vorwürfe zutreffen, hat sich Weinstein als das geriert, was wir früher im Freundeskreis einen Schmutzbock genannt haben. Die hoffnungsvollen Schauspielerinnen wurden seine Opfer. Ihre Traumatisierung muss ernst genommen werden. Warum aber kann das Schicksal beispielsweise von sexuell missbrauchten Jesidinnen, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben, nicht einen ungleich größeren Sog und essentielleren Dialog entfachen? Weil sie keine Marketingstrategien und -instrumente zur Verfügung haben? Keine Marktmacht über unser Gewissen? Lähmt uns die Tatsache, dass in anderen Weltregionen Frauen täglich vergewaltigt werden? Kann Hollywood hier helfen?

Ein Nein ist ein Nein!

Um das Verständnis für dieses soziale Axiom zu verdichten, braucht es Zeit für authentische Gespräche in Kindereinrichtungen, Schulen, Vereinen. Unter Kolleg*innen, Freund*innen und auch auf der Straße zwischen Unbekannten. Dieser Dialog läuft längst. Eine Redaktion, die mal schulmeisterlich, mal larmoyant auftritt, empfinde ich in diesem Kontext als eher unpassend und Hashtag-gejagt. Meine Bitte: Bleibt bei Eurer großartigen journalistischen Aufrichtigkeit! Gerade, wenn niemand mehr von weltweit gnadenloser Gewalt gegen Wehrlose lesen möchte.

Wolfgang Wägner, Stuttgart

Nicht rechtsextrem

betr: „Getarnte Antifeministen“,

taz vom 26. 10. 17

Sehr geehrter Herr Gesterkamp! Es ist mir eine große Ehre, dass Sie mir – gemeinsam mit Harald Martenstein und Matthias Franz – eine Absolution vom Nazitum erteilen. Dass Sie Kritiker der gegenwärtigen Genderdebatte und Leute, die sich auch mit den unter Druck geratenen Männern beschäftigen, überhaupt in der Nähe eines solchen Verdachts wähnen und sie wahllos in die Nähe von politisch extrem rechts stehenden Bewegungen rücken, zeigt allerdings, wie weit die Genderdebatte und die politische Diskriminierung der dazu Andersdenkenden schon gediehen ist. Es ist Ihnen wahrscheinlich nicht bewusst, dass diese Art von politischer Verdächtigungskultur, die auch von großer Gleichgültigkeit gegenüber Problemen von Männern zeugt, auch (auch!) für jene Entwicklungen mit verantwortlich ist, die wir in Österreich und Sie wohl auch in Deutschland beobachten können: nämlich das Abdriften vieler Männer in die Stammwählerschaft rechter und rechtsextremer Parteien, die begierig Verständnis für sie vortäuschen – also genau das, was sie umgekehrt dann beklagen.

Kein vernünftiger Mensch bestreitet heute die anhaltende Notwendigkeit frauenemanzipatorischer Maßnahmen.

Aber (zu) viele für vernünftig gehaltene Menschen ignorieren die Probleme von Männern und verhindern so eine (endlich) fällige Politik des gemeinsamen Kampfes gegen geschlechtsbezogenes Unrecht (also auch gegen das, das Männern passiert).

Josef Christian Aigner, Innsbruck