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Uli Hannemann Liebling der MassenTäglich eine Tonnein jedem Haus

Egal wo ich bisher in Berlin gewohnt habe, und ich ziehe ja oft schon um, sobald der Aschenbecher voll ist: Die Müllabfuhr kam grundsätzlich frühmorgens. Das kann kein Zufall mehr sein. Oder kennt hier vielleicht irgendjemand jemanden, der wen kennt, bei dem die nicht am frühen Morgen wie ein SEK brüllend und polternd den Innenhof stürmen? Auch frage ich mich, warum die einen Rammbock benutzen, obwohl sie einen Schlüssel haben.

Ich hab ja gar nichts gegen die Müllabfuhr. Deren Arbeit ist wichtig. Wie die Geier in der Natur verhindert sie die Verbreitung von Krankheiten. Das würde allerdings genauso mittags funktionieren. Beim Briefträger geht es doch auch: Der beginnt zwar ebenfalls morgens seine Runde und klingelt die Ersten aus dem Bett, die nach dem Überfall der Müllmänner noch wimmernd ihren Kopf ins Kissen bohren. Aber natürlich gibt es auch Kunden, die um zehn, um zwölf, um zwei dran sind. Bei der Müllabfuhr hingegen nicht.

Was das wieder kostet!

Was das die Steuerzahler kostet! Eine Müllabfuhr, die nur morgens arbeitet, benötigt das Dreifache an Personal und Fahrzeugen. Und was machen die eigentlich mit dem Rest ihres Arbeitstages: Bereiten sie da ihren zweistündigen Früheinsatz nach oder legen sie sich gleich wieder hin? Immerhin müssen sie selbst ganz schön müde sein. Damit sie uns früh genug nerven können, müssen sie noch früher aufstehen. Das mutwillige Geklöter kostet dazu viel mehr Kraft, als dieselbe Arbeit mit Achtsamkeit zu verrichten. Vom Verlust für die Volkswirtschaft gar nicht zu reden, der entsteht, weil alle ständig übermüdet sind: im Atomkraftwerk, im Krankenhaus und im Flugzeugcockpit. Das wird dann sogar richtig gefährlich.

Doch die Gängelei hat offenbar Methode. Wir Nichtsnutze sollen nicht schlafen, sondern arbeiten. Dazu bedient sich der Staat seiner wirksamsten Waffe: der Müllabfuhr. Dabei haben die Leute erstens alle einen Wecker und zweitens kann das ja wohl jeder selbst entscheiden? Man behandelt uns wie Dreijährige. Billiger und stilvoller wäre es, man ließe in den Straßen einen Nachtwächter singen: „Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen, soeben hat es sieben geschlagen“, oder meinetwegen auch, „auf ihr Schweine, aus den Federn, sonst wird euch der Henker rädern!“ – das ist schließlich, was sie meinen. Es sind ja auch gar nicht alle faul. Manche haben zum Beispiel Schichtdienst. Oder einen anderen Tagesrhythmus. Und selbst wenn sie faul wären, na und? Diese Bevormundung aus so einem preußisch-protestantischen Pflichterfüllungsethos heraus ist unerträglich. Da fragt man sich zwangsläufig: Warum erschießen die uns nicht einfach alle?

Kurz und schmerzlos bei vergleichbarem Krach. Zum Glück sind in vier Jahren schon wieder Wahlen. Da wird es Denkzettel hageln, das verspreche ich, bei meiner Seel.

Um das Elend zu toppen, wird in der Straße neuerdings gebaut und die Müllfahrzeuge müssen rückwärts hineinrangieren. Den erhöhten Aufwand kompensieren sie, indem sie anstatt einmal in der Woche nun jeden Morgen kommen, außer am Wochenende. Ich weiß nicht, ob sie täglich alle Tonnen in nur einem Haus leeren oder in jedem Haus eine Tonne. Ich weiß nur, dass sie jeden verdammten Tag, den ein gnadenloser Schöpfer in das Rattenrennen um den Pokal des schlimmsten Tags meines Lebens schickt, in aller Herrgottsfrühe von Neuem loslärmen. Je! Denn! Tag!

Daran haben sie obendrein so viel Spaß, dass sie noch lauter sind als sonst. Kann es sein, dass sie die Horrorshow exklusiv für mich abziehen, und meine Nachbarn sind bloß Kollateralschäden? Weil die Mächtigen mich eh auf dem Kieker haben. Das Gefühl habe ich nämlich schon lange.

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