: Dusel schlägt Handy
Mehr als 120 Minuten, mindestens drei umstrittene Entscheidungen und ein Elfmeterschießen braucht es, bis München RB Leipzig aus dem DFB-Pokal wirft
Aus Leipzig Maik Rosner
Weit nach Mitternacht waren es noch die kleinen Probleme, die zum Thema wurden. Joshua Kimmich fasste gerade seine Eindrücke aus dem wogenden Pokalkampf zusammen, den sich RB Leipzig und der FC Bayern am Mittwochabend bis ins Elfmeterschießen hinein geliefert hatten. „Wir hatten 15 ordentliche Minuten und dann 30 ganz schwache Minuten“, sagte der Münchner Rechtsverteidiger über die erste Halbzeit, als er plötzlich stockte. Er wühlte in seiner Tasche und entschuldigte sich: „Mein Rasierer ist angegangen.“ Als er wieder über den Achtelfinaleinzug der Bayern durch das 5:4 im Elfmeterschießen sprach, befand er: „Wichtig ist, dass wir positive Ergebnisse haben.“
Was recht lapidar klang, ist die grundlegende Erkenntnis für die Münchner nach dem vierten Sieg im vierten Spiel unter Jupp Heynckes und nach dieser Standortbestimmung beim aufstrebenden Konkurrenten aus Leipzig. Zumal vor den weiteren schweren Aufgaben, die auf ihrer Agenda stehen. Bereits an diesem Samstag kommt RB in der Liga zum Gegenbesuch nach München. Danach stehen die Dienstreisen in der Champions League zu Celtic Glasgow und in der Liga zu Borussia Dortmund an. All das nach einer epischen Auseinandersetzung, die in der regulären Spielzeit zunächst die Gelb-Rote Karte gegen Leipzigs Naby Keita (54.) sowie die Tore seines Kollegen Emil Forsberg per Foulelfmeter (68.) und von Bayerns Thiago Alcántara (73.) ebenso hervorgebracht hatte wie Gesprächsstoff für vier handelsübliche Begegnungen.
„Das ist ein Schub für uns, den Schub wollen wir mitnehmen“, sagte danach ein freudiger Karl-Heinz Rummenigge und erkannte in der turbulenten Auseinandersetzung mit dem guten Ausgang für die Münchner einen „Steilpass für die nächsten Spiele“. Für den Vorstandschef des FC Bayern war damit „alles wunderbar“. Das galt vor allem für das Ergebnis, nachdem Torwart Sven Ulreich den letzten Elfmeter von Timo Werner gehalten hatte.
Sichtbar geworden war an diesem Mittwochabend ja auch, wie nah die Leipziger dem FC Bayern bereits gekommen sind. Mit mehr Glück bei den Entscheidungen von Schiedsrichter Felix Zwayer hätte dieser Eindruck durchaus markanter ausfallen können. Wie nach jener Szene, als Arturo Vidal Forsberg beim Stande von 0:0 mit einem Sprung von hinten in die Beine auf der Strafraumgrenze zu Fall gebracht hatte (34.), Zwayer seinen Elfmeterpfiff nach einer Beratung mit seinem Assistenten Arno Blos aber auf Freistoß korrigierte. „Wir können uns nicht beschweren, wenn es Elfmeter gibt“, räumte Münchens Innenverteidiger Jérôme Boateng ein.
Weil es diesen doch nicht gab, war Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick in der Pause erbost zu Zwayer gestürmt, um ihm die Szene als Videobeweis via Smartphone zu präsentieren. Der in der Bundesliga eingeführte Videobeweis steht im Pokal erst vom Viertelfinale an zur Verfügung. In Leipzig wäre er noch einige weitere Male gut zu gebrauchen gewesen. So sahen es vor allem die Sachsen, die sich mehrfach benachteiligt fühlten.
„Unterm Strich waren 22 Akteure sehr gut“, schimpfte RB-Trainer Ralph Hasenhüttl, „einer konnte das Niveau nicht so ganz halten.“ Gemeint war Zwayer, dem unterlaufen sei, „was keiner sehen wollte: dass so ein Spiel kaputtgemacht wird.“ Hasenhüttl zielte auch auf Keitas Platzverweis ab, der auf einen Trikotzupfer bei Robert Lewandowski gefolgt war, nachdem Keita zuvor eine erste Verwarnung gesehen hatte, die ebenfalls als harte Entscheidung einzustufen war.
Andererseits ging Leipzig später durch einen Elfmeter in Führung, der nach Boatengs Kontakt gegen Yussuf Poulsen eher nicht zu verhängen war. „Ein Witz“, sagte Boateng, sein Kollege Mats Hummels erkannte gar die „Königin der Konzessionsentscheidungen“.
Die Bayern können jedenfalls ahnen, dass die nächste Auseinandersetzung mit RB am Samstag „nicht einfacher“ wird, wie Boateng sagte, „weil Leipzig eine sehr gute Mannschaft hat, wie man gesehen hat“. RB sieht das nicht anders: Bis zu Keitas Hinausstellung sei man „mindestens auf Augenhöhe“ gewesen, befand Leipzigs Torwart Péter Gulácsi, „wir wollen es am Samstag noch mal probieren“.
Was dann verbessert werden müsse, um womöglich einen Ertrag zu erzielen? „So viel nicht“, antwortete Gulacsi, „wir wollen 90 Minuten zu elft durchspielen.“
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