: Dem Blues verfallen
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich es sich anhören kann, wenn jemand den Blues schiebt. Weder Rico Repotente noch Dapayk haben auf ihren neuen Alben die allerbeste Laune. Aber der eine spielt Gitarre und singt, der andere ist DJ und Produzent. In der Folge entsteht aus einer ähnlichen Gefühlslage etwas sehr Verschiedenes.
Rico Repotente, in Manila geboren, in Hamburg aufgewachsen und seit Mitte der Neunziger in Berlin lebend, hat eine musikalisch wechselhafte Karriere hinter sich: mit Reggae als Tourgitarrist für Seeed, einem Jazzstudium an der Hochschule für Musik Hanns Eisler und verschiedenen Vorstößen in die Avantgarde. Wahrscheinlich ist es folgerichtig, dass so einer, der vieles versucht hat und allerhand kann, irgendwann bei den Wurzeln landet. Für Repotente ist es der Blues, den er auf „Dust On The Halo“ in nahezu all seinen Facetten beleuchtet. Dabei verneigt er sich ebenso ehrfürchtig vor Son House wie vor Jimi Hendrix und Crosby, Stills, Nash and Young. Aber Repotente klingt nur ein wenig historisierend. Lieber lässt er sein Instrument mäandern und klaut auch die eine oder andere Popmelodie. Und fügt dem Blues tatsächlich eine eigene Stimme hinzu, die man sich anhören sollte.
Die Spree mag keine große Ähnlichkeit mit dem Mississippi haben, aber auch an ihrem Ufer kann man sitzen und Trübsal blasen. Nur dass jene aus Erschöpfung geborene, desillusionierte Stimmung hier eben nicht von einer langen Schicht in den Baumwollfeldern stammt, sondern sich unweigerlich einstellt, wenn man sich nach zweieinhalb durchwachten Tagen im Club am Ufer wiederfindet und in die Sonntagnachmittagssonne blinzelt.
Vielleicht wollte Dapayk, der hier ausdrücklich als Solist unterwegs ist und nicht wie sonst im Duett mit seiner modelnden und singenden Ehefrau Eva Padberg, diese Stimmung vertonen, als er aus dem Archiv seines eigenen Labels die Mix-CD „Fenou Bouquet Vol.2“ zusammenstellte. Keine Tanzbodenkracher, keine bollernden Beats, sondern stattdessen reduzierte Rhythmen, eine zurückgelehnte Atmosphäre, lieber weniger als mehr.
Vor allem aber eint die Stücke jene Gefühlslage, die schon nicht mehr Melancholie ist, Resignation bereits wieder als produktiven Zustand begreift und aus der Trauer neue Kraft schöpft.
Man kann auch Blues dazu sagen. THOMAS WINKLER
■ Dapayk Solo: „Fenou Bouquet Vol.2“ (Fenou/Rough Trade), live: 1. 11. Weekend
■ Rico Repotente: „Dust On The Halo“ (Goldrausch/Rough Trade), live: 2. 11. Sowieso, 18. 11. Ausland