: Als welkten in den Himmeln schrill verzerrte Gärten
In der Galerie Herold lässt Susanne Katharina Willand Stoff und Papierarbeiten ziemlich herbstlich wirken
Von Radek Krolczyk
Blumen, Gräser oder Büsche wirken in grau oder schwarz immer so, als seien sie tot – verblüht, verdorrt, im Wintermodus. Wenn also eine Künstlerin, in diesem Fall Susanne Katharina Willand, sich in ihren Stoff- und Papierarbeiten zu dieser Art der Verfremdung entscheidet, vermutet man ein atmosphärisches Wollen. Finstere Goth-Romantik möglicherweise.
Bei den Arbeiten der Bremer Künstlerin, die derzeit in der Galerie Herold gezeigt werden, kommt noch einiges hinzu. Wobei – atmosphärisch ist die Schau mit dem Titel „Distorted Garden“ schon. An den Wänden der Galerieräume hat Willand überlebensgroße Zeichnungen unterschiedlicher Pflanzen verteilt. Wie die Reste von etwas Grünem am Ende eines Sommers ragen wild vereinzelte schwarze Äste in die Höhe. So eine Art des Herunterschälens einer Pflanze diente in Filmen wie Murnaus Nosferatu dazu, eine seltsame, verstörende Welt zu erschaffen. Bei Willand funktioniert es ganz ähnlich.
Ginge es um Menschen, wären auf der panoramischen, zwei Meter breiten Stoffbahn Knochen zu sehen und Schädel. Bloß hätten diese wohl nicht annähernd so viel Spannung. Sie müssten liegen, statt zu ragen. Nun sind die Pflanzen in Willands „Gestörtem Garten“ nicht alle tot, einige sind lebendig und wuchern (wenn auch schwarz-weiß), zu manchen haben sich Affen gesellt. Wenige der Pflanzen der Ausstellung sind als Objekte an die Wände oder in den Raum gesetzt. An Zierplatten aus Holz hat Willand vielgliedrige, dünne Äste befestigt. Als einzige farbige Arbeit steht in einem der Räume eine Gruppe Pappaufsteller, die Büsche darstellen. Ihr pixeliges Grün lässt sie nicht minder fremd aussehen.
Galerie Herold, Künstlerhaus Güterbahnhof, Beim Handelsmuseum 9. Mi, Do, So., noch bis 29. 10.
Eine Textur, so wie innerhalb der Fotografien auf den Vorderseiten dieser Objekte aus Karton, findet man auch in den schwarzen Zeichnungen. Manchmal glaubt man, die mal loser, mal dichter mit Tusche gesetzten Punkte auf Papier wären gedruckt. Dann wieder erkennt man auf einigen Stoffarbeiten, dass die floralen Muster sich aus kleinen Kreuzchen zusammensetzen: Die Arbeiten verweisen so auf Techniken, mit denen man Ziermuster auf Tapeten oder Tischdecken stickt. Pflanzen sind beliebt und gut geeignet: Eine jede Pflanze folgt dem Prinzip von Variation und Wiederholung. Ganz gleich, ob tot oder lebendig. Millefleur – tausend Blumen – ist ein Begriff, der für solche Art Muster bereits in der Gotik verwendet wurde und im Jugendstil eine große Wiederkehr erlebte.
Tatsächlich hat Willand, die 1974 in Österreich geboren wurde und an der Bremer Kunsthochschule Mode studierte, in ihren älteren Arbeiten Textilien nicht bloß als Untergrund verwendet, sondern auch die Motive darauf gestickt. Im ersten Raum sind zwei solcher Stickbilder zu sehen. Aus tausenden Stichen hat sie stark vergrößerte Kieselsteine zusammengesetzt. Und auch die wirken ähnlich der Pflanzen als Teil einer seltsamen, verzerrten Natur.
Der Autor ist Betreiber der Galerie K‘.
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