: Stolpern gegen das Vergessen
Langenhorn erinnert an Opfer der NS-Euthanasie
Von Paula Högermeyer
Als Erwin Sängers Eltern nach Auschwitz deportiert wurden, zwang die Gestapo sie, ihren behinderten Jungen in der Pflege- und Heilanstalt Langenhorn abzugeben. Nach neun Monaten in der Klinik wurde Erwin getötet.
Erwin war eins von 23 Kindern, für die am kommenden Mittwoch, in Anwesenheit des Künstlers und Initiators Gunter Demning, in Langenhorn Stolpersteine verlegt werden. Die Stolperstein-Initiative Hamburg erinnert damit an die sogenannten „Euthanasie“-Opfer in Langenhorn. 300.000 andere Menschen teilen das Schicksal von Erwin Sänger. Die Nationalsozialisten ermordeten sie im „Euthanasie“-Programm.
Behinderte und kranke Kinder mussten von Ärzten bei den damals zuständigen „Kinderfachabteilungen“ gemeldet werden. Ihre Namen und Daten wurden an den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ weitergeleitetet, der die Ermordung der Kinder anordnete. Grundlage war ein Schreiben Adolf Hitlers, das den „Gnadentod“ für kranke und behinderte Kinder forderte.
„Der damals zuständige Arzt in Langenhorn, Friedrich Knigge, hat mit den Eltern der Kinder über vermeintliche Behandlungsmöglichkeiten gesprochen“, sagt die Psychologin Margot Löhr. Sie ist Mitglied der Stolperstein-Initiative und forscht seit zehn Jahren zu der Vorgehensweise der damaligen Pflege- und Heilanstalten. Eigentliches Ziel der Einrichtungen sei die Umsetzung eines sogenannten „Euthanasie“-Programms gewesen.
Über den Tod der Kinder seien die Eltern meist nur über ein Telegramm informiert worden. Das Vorgehen der Pflege- und Heilanstalten wurde verschleiert und die Eltern in dem Glauben gelassen, dass man ihren Kindern helfen würde.
Mit den Stolpersteinen soll die Erinnerung der ermordeten Kinder aufrecht erhalten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen