: „Es ist klar, dass man das prüfen muss“
Medienexperte Wolf-Dieter Ring sieht die Meinungsvielfalt nicht gefährdet, wenn der Hamburger Verlag ProSieben-Sat.1 übernimmt. Außerdem müssen deutsche Medienunternehmen im internationalen Wettbewerb bestehen können
taz: Herr Ring, Sie sind einer der wenigen, die die Fusion der Axel Springer AG mit der ProSiebenSat.1-Senderfamilie begrüßen. Warum?
Wolf-Dieter Ring: In einer Medienwelt, die immer internationaler wird, müssen wir auch deutsche Unternehmen in die Lage versetzen, im globalen Wettbewerb zu bestehen. Wir führen hier derzeit leider eine rein deutsche Diskussion, die auch noch verkürzt ist.
Gefahren für die Meinungsvielfalt sehen Sie nicht?
Wir haben in Deutschland eine enorme Vielfalt im nationalen Fernsehmarkt, dazu einen ganz starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da gibt es keine Gefahr für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Außerdem ist mir ist ein deutsches Unternehmen, das publizistisch tätig ist, lieber als all diese Investoren mit ihrem obersten Ziel, frühestmöglich ihre Gewinne zu maximieren. Und die sich dann wieder verabschieden.
Laut Springer-Chef Mathias Döpfner ist die TV-Übernahme für Springer ein rein wirtschaftliches Investment. Konterkariert das nicht Ihre Argumentation?
Natürlich muss es für Springer auch ein wirtschaftlicher Erfolg werden. Aber sehen Sie mal das bisherige Verhalten dieses Verlages: Da gibt es ein Blatt wie die Welt, an der Springer natürlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Gewinnmaximierung festhält, sondern aus Überzeugung. Das ist doch ein Beispiel dafür, dass das Unternehmen anders denkt als bloße Finanzinvestoren.
Haben Pro7 oder Sat.1 durch das Saban-Engagement gelitten?
Wir haben durch die Politik der Investoren eine Sparpolitik und einen Abbau von Inhalten erlebt. Das wurde, was die Programmqualität und bestimmte Formate angeht, durchaus problematisch.
Während die zuständige Konzentrationskommission KEK noch prüft, haben Sie erklärt, die geplante Fusion sei medienrechtlich völlig okay.
Ja, allerdings ist auch klar, dass man so etwas prüfen muss. Wir haben ja auch geprüft und eine entsprechende Empfehlung abgegeben. Denn es gibt eine feste Regel in Deutschland. Wo 25 Prozent Zuschauermarktanteil von einer Fernsehfamilie nicht erreicht werden, ist eine Prüfung der weiteren Medienbeteiligungen, etwa bei Printmedien, nicht vorgesehen. Das gibt das Medienrecht einfach nicht her. Und die ProSiebenSat.1-Gruppe kommt auf gerade einmal 20,5 Prozent. Als es vor ein paar Jahren um die RTL-Gruppe und Bertelsmann ging, hat man trotz höherer TV-Marktanteile überhaupt keine Gesamtprüfung durch die KEK vorgenommen.
Spielt keine Rolle, dass ein Viertel der deutschen Tageszeitungen inklusive Bild aus dem Hause Springer stammen – im Unterschied zu Bertelsmann?
Man kann trotzdem nicht sagen: Das sind zwei völlig unterschiedliche Unternehmen. Ich halte den meinungsbildenden Einfluss von Bertelsmann mit all den Zeitschriften einschließlich Stern, den Radio- und TV-Sendern für genauso hoch, wenn nicht höher, als den von Springer.
Mit dieser Sicht stehen Sie aber ziemlich allein da …
Warten wir mal ab, wie das Verfahren ausgeht. Ich habe ja ein gewisses Verständnis dafür, dass mein Eintreten für Springer kritisch kommentiert wird. Allerdings verstehe ich überhaupt nicht, warum der eine oder andere Journalist das so kritisch sieht: Es geht doch auch um die Sicherheit der Arbeitsplätze in den deutschen Medienunternehmen. Mit dem Namen Springer sind aber eine bestimmte Geschichte verbunden und eine bestimmte Emotion. Ich habe das selbst erlebt, als ich damals in München studiert habe und die Auslieferung der Bild-Zeitung von den Studierenden blockiert wurde.
Wie weit soll die Medienkonzentration denn gehen dürfen?
Wenn Springer und Bertelsmann zusammengingen, auch in Teilbereichen des Marktes. Da müssten wir uns vehement gegen wehren, nicht nur im Programmbereich. Das kann auch über bestimmte Entwicklungen bei der Technik oder bei der Vermarktung gehen. Da müssen wir sehr aufpassen.
Reichen die bestehenden Konzentrationsregelungen für solche Fälle überhaupt aus?
Ich denke, ja. Bei der Formulierung dieser Vorschriften hat man ja die beiden großen Mediengruppen – damals noch Kirch und Bertelsmann – im Auge gehabt.
Sie meinen: Man hat ganz bewusst eine Regelung eingeführt, die ihnen nicht wehtat?
Man hat sich an der Realität der Fernsehwelt orientiert und sie akzeptiert. Und gleichzeitig Grenzen gesetzt, die völlig ausreichen: Wenn die beiden zusammen wirken würden, wäre das eben nicht zulässig. Das war medienpolitisch ein vernünftiger Weg, aber kein Einknicken vor Unternehmerinteressen.
INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG