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„Er kann viel verbessern“

Juan Carlos Ferrero erklärt, weshalb er gern mit Alexander Zverev trainiert und warum der Deutsche bald auch einen Grand-Slam-Titel gewinnen wird

Interview Doris Henkel

taz: Her Ferrero, als Sie das Angebot bekamen, mit Alexander Zverev zu arbeiten, brauchten Sie Zeit? Oder stand gleich fest: Das mache ich!

Juan Carlos Ferrero: Ich musste schon ein bisschen nachdenken. Ich habe eine Familie mit kleinen Kindern, habe meine Akademie in Alicante. Das Angebot kam kurz vor dem Turnier in Madrid im Mai. Aber ich dachte, es könnte ein tolles Jahr mit Sascha werden, und das ist es ja auch geworden.

Was waren Ihre ersten Eindrücke von ihm?

Er verbringt am liebsten viele Stunden auf dem Platz. Selbst, wenn er an einem Tag den Ball nicht richtig gut trifft, schafft er es, sich am Ende trotzdem zu verbessern. Diese Fähigkeit ist ziemlich gut für jemanden, der erst zwanzig Jahre alt ist.

Die Spanier gelten im Tennis als harte Arbeiter. Könnte man also sagen, Zverevs Einstellung im Training sei ansatzweise spanisch?

Ja, das stimmt schon irgendwie.

Wie verstehen Sie sich mit ihm außerhalb des Platzes? Stimmte die Chemie von Anfang an?

Nachdem wir uns besser kennengelernt haben, finde ich, dass wir uns gegenseitig großes Vertrauen schenken. Er ist Perfektionist, wie viele Sportler. Und er hat einen starken Willen.

Ist er stur?

Nein, das ist in Ordnung. Er will einfach der Beste sein. Er ist ein total offener Typ, ein normaler Junge von zwanzig Jahren, der sich für vieles interessiert.

Sie hatten am Anfang einen zeitlich befristeten Rahmen für Ihre Zusammenarbeit. Wie ging es dann weiter?

Wir hatten vereinbart, es bis zum Ende des Jahres zu versuchen, aber wir wollten uns drei Turniere Zeit geben, das auszuprobieren. Ich war zuerst zehn Tage in Tampa, Florida, beim Training, danach in Washington und Montreal, und er gewann beide Turniere. Wir mussten nicht darüber reden, es war irgendwie klar, dass wir weitermachen würden. Und jetzt haben wir vereinbart, dass wir auch im kommenden Jahr zusammenbleiben werden.

Das war auch der Grund, warum Sie das Angebot des spanischen Verbands abgelehnt haben, Davis-Cup-Teamchef zu werden?

Ja, so ist es. Ich wollte ihn nicht nach zwei Monaten wieder allein lasse, ich fühle mich verantwortlich für Sascha. Wir haben ein tolles Team, und ich finde, dass wir alle zusammen einen guten Job machen. Für Davis Cup wird die Zeit für mich vielleicht irgendwann später kommen.

Zverev wird in letzter Zeit immer wieder gefragt, was ihm denn fehle, um nicht nur Masters-1000-Turniere wie in Rom oder Montreal, sondern auch einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. Wie sehen Sie die Sache?

Er ist zwanzig Jahre alt. Jeder will, dass er jetzt schon ein großes Turnier gewinnt, jeder will ihn als Nummer eins sehen. Er braucht einfach noch Zeit. Grand Slams sind einfach anders, in zwei Wochen steckt eine andere Herausforderung als in einer. Er muss mental noch ein bisschen stärker werden, um weiter als in die vierte Runde zu kommen wie in diesem Jahr. Aber ich glaube, nächstes Jahr wird er bereit sein.

Wenn Ihnen vor zwölf Monaten jemand gesagt hätte, er würde nach Rafael Nadal und Roger Federer der drittbeste Spieler des Jahres 2017 sein, hätten Sie sich das vorstellen können?

Jetzt ist es leicht zu behaupten, ich hätte Ja gesagt. Aber man konnte schon früh bei ihm erkennen, welche Fähigkeiten er hat und was in ihm steckt, und dass er auf jedem Boden stark spielen kann, was sehr wichtig ist.

Was kann er oder muss er denn verbessern?

Die Volleys natürlich und auch ein bisschen die Vorhand. Die Konstanz und Platzierung der Bälle bei der Vorhand, auch beim Aufschlag. Ein paar Kleinigkeiten. Deshalb bin ich ja so gern in diesem Team: Sascha ist zwanzig und ist schon die Nummer vier der Welt, obwohl es noch vieles gibt, was er verbessern kann.

Juan Carlos Ferrero

37, war in seiner aktiven Karriere sieben Wochen die Nummer 1 der Weltrangliste (2003). In seinem erfolgreichsten Jahr gewann Ferrero mit der French Open auch seinen einzigen Grand-Slam-Titel. Seit Juli 2017 betreut der Spanier Alexander Zverev.

Was waren aus Ihrer Sicht seine besten Spiele in diesem Jahr?

Das Match gegen Nadal bei den Australian Open war sicher eines davon. Gegen Novak Djokovic in Rom, auch der erste Satz gegen Federer in Montreal, im zweiten ging Rogers Niveau dann ja runter

Wie gut läuft die Zusammenarbeit mit seinem Vater Alexander senior, der nach wie vor sein Haupttrainer ist? Die ganze Familie hält ja sehr eng zusammen.

Er ist der Boss. Ich versuche meine Erfahrungen von den Turnieren einzubringen, ich rede mit ihm über Taktik vor dem Spiel, das klappt alles problemlos.

Sie waren nach dem Ende ihrer Karriere zu Hause in Alicante, fehlte Ihnen das Leben auf der Tour in dieser Zeit?

Die Matches hab ich vermisst, auf dem Platz zu sein. Das Training und die Reisen eher nicht.

Wenn Sie jetzt auf der Tribüne sitzen und Ihrem Mann zusehen, fühlt es sich dann ein bisschen so an, als seien Sie selbst wieder im Spiel?

Ja, klar. Ich habe das Gefühl, dass er genau weiß, was ich meine, wenn ich ihn auf eine bestimmte Art ansehe. Da ist eine gute Verbindung.

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