: Im Windschatten des Fußballs
Fußball dominiert die Sportlandschaft und eigentlich sind sich Nicht-Fußballer einig, dass das ein Problem ist. In der Region Lübeck hat der Aufstieg von Holstein Kiel in die Zweite Liga aber einen ganz anderen Effekt
Von Christian Görtzen
In Deutschland gibt es lediglich Fußball, Fußball, Fußball. Dann erst kommen in großem Abstand irgendwann Handball, Tennis, Basketball und der Rest. Diese Kritik an der erdrückenden Dominanz des Fußballs formulieren Verantwortliche in Sportvereinen immer wieder. Nun aber zeigt sich in der Region Lübeck, dass der Fußball durch seine Sogkraft brachliegende Projekte in anderen Sportarten in Bewegung bringen kann.
Verantwortlich dafür ist der Erfolg von Holstein Kiel – genauer: ihre Rückkehr in die Zweite Fußball-Bundesliga nach 36 Jahren. Die Kieler hatten die Zweitliga-Lizenz von der Deutschen Fußball Liga nur unter der Auflage erhalten, das Holstein-Stadion zu renovieren und das Fassungsvermögen von 10.000 auf 15.000 Zuschauer zu erhöhen. Der Verein veranschlagte dafür 10,4 Millionen Euro.
Anfang Juni kündigten in Kiel CDU, Grüne und FDP nach ihren Jamaika-Koalitionsverhandlungen an, mit einem Nachtragshaushalt bis zu sieben Millionen Euro für das Holstein-Stadion bereitstellen zu wollen. Insgesamt wurde der Sportfördertopf zur Erneuerung von überregional bedeutsamen Sportstätten mit 15 Millionen Euro gefüllt. Das dürfte auch gemacht worden sein, um nicht ein Ungleichgewicht zugunsten von Holstein Kiel herzustellen und Neid bei anderen zu schüren. Etwa in Lübeck, das sich oftmals als zu kurz gekommen betrachtet.
„Acht Millionen Euro können wir noch ausgeben“, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) jüngst den Lübecker Nachrichten. Er wisse auch, dass in der Region Lübeck Bedarf bestehe, „beispielsweise bei der Eishockey-Anlage in Timmendorfer Strand oder dem Leistungszentrum der Ruderer in Ratzeburg“. Er sei sich „sicher, dass auch mehrere Millionen aus diesem Topf in die Region Lübeck fließen werden“.
Kristina Herbst, Staatssekretärin im Finanzministerium, sagte auf taz-Nachfrage: „Die Richtlinie ist gerade erst veröffentlicht worden. Angesichts des Fördervolumens von acht Millionen Euro rechnen wir fest damit, dass wir von den Kommunen Anträge erhalten werden.“
Einer wird den Absender Timmendorfer Strand tragen. Das machte Bürgermeisterin Hatice Kara (SPD) deutlich. In der Ostsee-Gemeinde muss die Eissport- und Tennishalle dringend saniert werden, um den Eishockey-Spielbetrieb des EHC Timmendorfer Strand aufrechterhalten zu können. 8,3 Millionen Euro sind insgesamt für die Sanierung veranschlagt worden. Kara ist guter Dinge, dass mehr als 50 Prozent der Summe vom Land kommen. „Wir freuen uns, dass es den Fördertopf nun gibt und sind gerade in der Antragsbearbeitung“, sagte sie. „Wir sind guter Hoffnung, dass unser Antrag bewilligt wird. Wir nehmen den Ministerpräsidenten beim Wort.“ In diesem Jahr soll ein Antrag auf Unterstützung in Höhe von zwei Millionen Euro gestellt werden, im nächsten Jahr folgt dann ein weiterer Antrag.
Wie wichtig den Menschen in Timmendorfer Strand das strandnah gelegene Eishockey- und Tenniscenter ist, zeigte sich zuletzt im Februar. In einem Bürgerentscheid sprachen sich 83 Prozent der Abstimmenden für den Erhalt des Stadions aus.
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