Turn-WM in Kanada: Den Drang nach Perfektion genießen

Die 17-jährige deutsche Vorzeigeturnerin Tabea Alt kann den hohen Erwartungen gerecht werden – und qualifiziert sich für zwei Finals.

Eine Frau macht eine Turnübung

Kraftvoll und beweglich: Tabea Alt bewältigt schwierigste Herausforderungen Foto: imago/Schreyer

MONTREAL taz | Ihr Anzug ist schreiend pink. Tabea Alt mag Pink, sehr sogar. Aber von der Vorliebe für diese Farbe mal abgesehen, hat sie mit einem typischen Teenager wenig gemein. Vor ihrem ersten Auftritt bei der Turn-WM hatte die Siebzehnjährige deklariert: „Mein Ziel ist klar: Genießen und zeigen, wer ich bin, was ich kann und wo ich stehe mit meinen Übungen.“

Am heutigen Freitagabend steht sie nun in Montreal im Mehrkampffinale, außerdem am Sonntag im Balkenfinale, als Erstplatzierte der Qualifikation. Quasi nebenbei gelang ihr außerdem, wofür manche Turnerin jahrelang vergeblich tüftelt und trainiert: die Anerkennung von zwei Elementen, die in Zukunft als „The Alt“ und „The Alt 2“ in den Internationalen Wertungsvorschriften verewigt sein werden.

Die Erwartungen an die jüngste Turnerin des deutschen Aufgebots sind hoch. Das hat einerseits mit ihren Ergebnissen zu tun: Sie hatte schon beim sechsten Platz des deutschen Teams bei den Spielen in Rio entscheidende Punkte beigetragen, ist 2017 Weltcup-Gesamtsiegerin geworden und hatte bei der diesjährigen Europameisterschaft durchaus Chancen auf eine Medaille, hätte sie nicht ein Darminfekt in letzter Sekunde abgehalten.

Es hat aber andererseits noch mehr mit einer Konstellation zu tun, die ziemlich selten ist: Tabea Alt gilt nicht nur als Riesentalent, sondern auch als sehr trainingsfleißig und noch dazu als ziemlich helle. Ihr Stuttgarter Trainer Robert Mai sagt: „Mit Tabea kann man zusammenarbeiten, da gibt’s ein Feedback, das ist ein Miteinander.“

Heutzutage turnen tatsächlich junge Frauen

Dass Tabea Alt im Training ein Feedback gibt, glaubt man sofort. Sie kann auch auf eine Journalistenfrage antworten: „Genau, Sie sagen es eigentlich schon ganz richtig.“ Das hat Witz, der allerdings unfreiwillig und überhaupt nicht überheblich ist. Alt ist die Freundlichkeit in Person. Ihre Darbietungen auf dem Podium sind schön und schwierig, ihr Körper ist gleichermaßen beweglich und voller Kraft, ihre Präzision genau das, was in dieser Sportart entscheidend ist.

Deshalb also gibt es diese Erwartungen, vermutlich allem voran im Kopf dieses siebzehnjährigen Mädchens selbst. Auf den so entstandenen Druck angesprochen sagt Tabea Alt: „Man muss da wirklich ganz bei sich bleiben, sich nicht von irgendeinem Trallalla rauswerfen lassen.“ Es sind keine Erwartungen, die Trainer ihr vorgeben würden.

Das Frauenturnen ist nicht mehr das der neunziger Jahre, wo nicht selten der Leistungshöhepunkt mit dem Mindeststartalter von 16 Jahren erreicht war und es danach wieder bergab ging. Heutzutage turnen tatsächlich junge Frauen: Die deutschen Teamkameradinnen von Tabea Alt sind 20, 23 und 28 Jahre alt. In Montreal haben sie drei weitere Finalplatzierungen erreicht. Bundestrainerin Ulla Koch sagt: „Ich setze Tabea überhaupt keine Ziele.“

Nach der EM entschied man, erst mal keine Wettkämpfe zu turnen, die Deutsche Meisterschaft ließ Tabea Alt aus, um in Ruhe zu trainieren. Man macht momentan lieber zwei Schritte zurück und einen vor, ein Talent wie dieses müsse man „erst mal wachsen lassen“. Falls Ulla Koch bei Alt überhaupt eine Schwäche erkennen kann, dann ist es die, „manchmal zu selbstkritisch“ zu sein.

Ihr Drang nach Perfektion ist ihr anzusehen. Tabea Alt spricht dann wieder davon, wie sie es genießt, zu sich präsentieren. Ihre Ernsthaftigkeit und Entschiedenheit wirken dann fast ein wenig unheimlich.

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