: Von freudlosem Sex auf dem Viehmarkt
In Bremen startet am Dienstag das 24. Queerfilm Festival und gibt den Startschuss für die schwul-lesbische Festivalsaison
Von Wilfried Hippen
Festivals für Queerfilme sind in Großstädten inzwischen zu einer Institution geworden. Und die meisten von ihnen werden in diesen Wochen veranstaltet: Das „24. Queerfilm Festival Bremen“ läuft von Dienstag bis Sonntag, danach das „21. Perlen – Queer Film Festival“ in Hannover dann die „28. Lesbisch Schwulen Filmtage“ in Hamburg und im November das „8. Queer Film Festival“ in Oldenburg.
Um gemeinsam Filme zu bestellen und Gäste einzuladen, wurde der Verbund „Queerscope“ gegründet und dessen Mitglieder verleihen nun zum zweiten Mal einen Debütfilmpreis. Dieser ist zwar mit 500 Euro nur sehr sparsam dotiert, aber der Film wird dann auf mehreren Festivals gezeigt werden.
Der diesjährige Preisträger „God’s Own Country“ von Francis Lee etwa wird als Abschlussfilm in Bremen am 15. Oktober im Kino City 46 und dann in Hamburg am 21. Oktober im Passagekino laufen. Der Spielfilm ist im ländlichen Yorkshire angesiedelt und auf einer Ebene zeigt er realistisch, wie das Leben dort auf einem ziemlich heruntergekommenen Bauernhof vonstattengeht.
Eine Kuh kalbt, ein Lamm wird geschlachtet und gehäutet – und all das ist mit viel körperlicher Arbeit verbunden. Für diese ist der junge Johnny zuständig, der die Farm seines kranken und ständig misslaunigen Vaters bewirtschaftet. Johnny hat keine Probleme damit, dass er schwul ist, aber neben der Arbeit hat er nur den Alkohol und freudlosen Sex auf dem Viehmarkt.
Das ändert sich, als mit dem Rumänen Gheorgie eine Aushilfe auf der Farm zu arbeiten beginnt. Das Besondere an dieser Liebesgeschichte ist die Inszenierung von Francis Lee, bei der die Körperlichkeit bei den Menschen ähnlich ungeschönt betont wird wie bei den Tieren.
Und Josh O’Connor spielt in der Rolle des Johnny sehr überzeugend einen ruppigen und scheinbar verrohten Antihelden, dessen erstes Lächeln nach etwa einer Stunde umso erlösender wirkt.
Im Grunde die gleiche Geschichte erzählt auch Jennifer Reeder in dem amerikanischen Spielfilm „Signature Move“, der am 14. Oktober in Bremen und am 21. Oktober im Metropolis in Hamburg zu sehen sein wird. Hier ist es die pakistanisch-stämmige Rechtsanwältin Zaynab, die durch die Latina Alma wach geküsst werden muss.
Die beiden Filme verbindet, dass die Paare aus verschiedenen Kulturen kommen, doch während dies in „God’s Own Country“ eher ein Nebenaspekt ist, wird es bei „Signature Move“ zum zentralen Thema: Zaynab lebt mit ihrer Mutter zusammen, die ständig auf der Suche nach einem netten pakistanischen Bräutigam für ihre Tochter ist. Alma lebt dagegen ihre Sexualität frei aus und versteht lange nicht, warum ihre neue Freundin glaubt, ihre Mutter anlügen zu müssen. Der verbindende Faktor zwischen der moslemisch-pakistanischen und der katholisch-mexikanischen Kultur ist hier seltsamerweise das Woman-Wrestling – und am meisten Spaß bereitet der Film immer dann, wenn diese Subkultur mit ihrer Mischung aus großer Oper und harten Schulterwürfen gezeigt wird.
10. – 15. Oktober: „24. Queerfilm Festival“, Bremen
15. – 21. Oktober: „21. Perlen – Queer Film Festival“ ,Hannover
17. – 22. Oktober: „28. Lesbisch Schwule Filmtage“, Hamburg
2. und 7. November: „8. Queer Film Festival“, Oldenburg
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