Leyla Yenirce
Inselstatus
: Gentrifizierung ist nicht nur schlecht – das gilt zum Beispiel fürs Essen

Foto: privat

Liebe Insel, Du kannst so viel – vor allem aber mehr als Döner. Nicht dass (vegetarischer) Döner nicht toll wäre und lecker und von Ladenbetreiber*innen mit viel Liebe zubereitet würde. Immerhin ist es zu Recht das Inselnationalgericht. Aber jeden Tag Massentierhaltung im Fladenbrot ist dann vielleicht doch zu viel des Guten mit schlechtem Inhalt.

Ähnlich wie beim Döner ist auch bei der Gentrifzierung nicht alles nur schlecht. Denn wenn alte Schneidereien und Kaschemmen aus ihren Läden gedrängt werden, ist endlich Platz für schicke, tolle ,neue Restaurants und, liebe Insel, seien wir ehrlich: Das Essen, das sie zubereiten, schmeckt fantastisch!

Das beginnt bei dem netten Kumpirladen, der vergangenen Mai von Gentrifzierungsgegner*innen attackiert wurde, obwohl er die besten Kartoffeln des Viertels macht, und reicht bis zu dem Sushi-Restaurant, das neben dem neuen Viet­namesen am Ende der Veringstraße das beste asiatische Essen in Wilhelmsburg zubereitet.

Dabei sind die Süßkartoffel-Pommes im Burgerladen noch gar nicht erwähnt und auch nicht die knusprige Pizza, die es im italienischen Restaurant unmittelbar daneben gibt. Es ist fast so wie auf dem Schulterblatt, auf dem sich ein Restaurant ans nächste reiht und wo man gar nicht mehr weiß, was man essen soll zwischen Fisch in der Reisrolle und Salat in der großen Ofenkartoffel.

Nett aussehen tut das Viertel mit den vielen Etablissements auch. Draußen essen Menschen an den Tischen, die Straße ist voll, es wird getrunken und ausgegangen. Wie das halt so ist: Die einen geben Geld aus und andere verdienen daran.

Nur leider sehen die, die an den Tischen sitzen, immer gleich aus, denn eine Mahlzeit in den leckeren Restaurants kostet halt mehr als drei Euro fünfzig. Wer sich ein gemischteres Klientel erhofft, muss dann doch wieder zum Kebab greifen.

Man kann die Restaurantisierung des Viertels gutheißen oder nicht, was aber auf jeden Fall Freude bereitet, ist das kulinarische Angebot und dass es diverser wird. Ja, ein Burgerladen, auf dem die Bulette mit Gorgonzola auf einer Schieferplatte serviert wird, ist hip, aber der Burger schmeckt ziemlich gut, vegetarische Alternativen gibt es auch und betrieben wird der Laden von Wilhelmsburger*innen, die schon länger als zehn Jahre auf der Insel leben.

Im besten Falle gibt es genügend Platz für tolle Restaurants, ohne dass dabei Ayşe ihre Schneiderei aufgeben muss, damit ein neuer Gentri-Laden aufmacht. Dies scheint aber nicht der Fall zu sein. Denn während ich genüsslich von meinem Burger abbeiße und als Hobby-Restaurantkritikerin das Angebot genieße, ist von der Schneiderei weit und breit nichts mehr zu sehen. Die Frage ist wahrscheinlich eh weniger, wo Ayşes Schneiderei jetzt sein könnte, sondern ob sich diese überhaupt noch im Radius der Insel befindet.

Leyla Yenirce ist Kulturwissenschaftlerin und schreibt wöchentlich aus Wilhelmsburg über Spießer*innen, Linke, Gentrifizierer*innen und den urbanen Wahnsinn in der Hamburger Peripherie.