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Archiv-Artikel

Wahlkampf mit Vögeln

Kurz vor der Wahl erklärt Umweltminister Trittin östliche Deutsche und die Pommersche Bucht zu Vogelschutzgebieten: In Kiel nimmt man das verärgert, in Schwerin verwundert zur Kenntnis

von Thomas Brunotte

„Dieses Verfahren ist eine bodenlose Frechheit“, schimpft Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU): Kurz vor der Wahl hat Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Die Grünen) die östliche Deutsche Bucht und die Pommersche Bucht zu Vogelschutzgebieten erhoben.

Trittin übergehe mit seinem übereilten Vorgehen die Interessen Schleswig-Holsteins. Dabei übersehe er, dass seine Maßnahme die Entwicklung von Windenergieanlagen in diesen Gebieten gefährde. Puren umweltpolitischen Aktionismus kurz vor der Wahl wirft er dem Bundesminister vor.

In Berlin sieht man die Sache ganz anders. Schon seit Mai 2004 seien die beiden Buchten der Europäischen Union als Naturschutzgebiete vorgeschlagen worden. Damit stünden sie bereits faktisch unter Naturschutz. Der müsse jetzt nur noch im nationalen Recht verankert werden. „Endlich“, so Ministeriumssprecher Jürgen Maaß, „kommt ein lang geplanter Prozess zu seinem Abschluss.“ Die Buchten liegen außerhalb der so genannten „12-Seemeilen-Zone“ – internationales Gewässer. Mit der Naturschutz-Novelle schuf der Bund 2002, den EU-Vorgaben entsprechend, eine neue Rechtsgrundlage: Seitdem ist er für Auswahl, Ausweisung und Verwaltung von Schutzgebieten in dieser Zone zuständig. In küstennahen Zonen und auf dem Festland ist das Ländersache.

Um eine Stellungnahme in der Buchten-Frage bat das Umweltministerium die betroffenen Länder mit einem am 15. August 2005 verschickten Schreiben. Frist für die Antwort: bis zum 7. September.

„Eine Frist von 3 Wochen bei Rechtsentscheidungen über eine Fläche von 500.000 Hektar ist definitiv zu kurz“, sagt Christian Seifert, Pressesprecher des Landwirtschaftsministeriums Schleswig-Holstein. Zwar wisse man schon seit einiger Zeit, dass die Gebiete der EU vorgeschlagen seien. Bisher sei das Verfahren aber noch nicht konkret gewesen. Von den nun ausgearbeiteten Rechtsvorschriften habe man erst mit besagtem Schreiben erfahren. Warum das Verfahren nun so kurz vor der Bundestagswahl eine solche Dynamik bekommt, sei nicht erkennbar.

Das Umweltministerium, so Maaß, lege Wert darauf, die Länder bei der Ausarbeitung der Naturschutzbestimmungen einzubeziehen. Man genüge den EU-Verordnungen, wenn sicher gestellt ist, dass die bedrohten Vogelarten auch im Falle einer wirtschaftlichen Nutzung des Gebiets geschützt sind. Über die nötigen Maßnahmen habe man mit den Ländern am 9. September beraten.

Andererseits werden die Empfänger des fraglichen Schreibens vom 15. August gleich im ersten Absatz darauf aufmerksam gemacht, dass die Rechtsverordnung „nicht der Zustimmung des Bundesrates“ und damit ihrer Stimme bedarf. Noch am Mittwoch räumte Maaß ein, dass weitere Feinabstimmungen nötig wären. Am Donnerstag war die Sache unterschrieben.

Auch im von der PDS geführten Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommerns ist man von der Geschwindigkeit des Verfahrens überrascht. Pressesprecherin Ilona Stadler sagte, das Verfahren hätte ihres Wissens erst Anfang 2006 zum Abschluss kommen sollen. Zwar befürworte man grundsätzlich die Ausweisung der fraglichen Naturschutzgebiete. In Einzelheiten habe es aber noch Klärungsbedarf gegeben.