: Nur die Katze kann Kanzler sein
Wie Deutschland dank einer ausgeklügelten Strategie zu einer guten Regierung kam
Schon wieder gab es Wahlen in Deutschland, bei denen man keine Wahl hatte – es wurde nun doch zu arg. Ich beschloss, eine Entscheidung zu treffen: Die Katze muss Kanzler werden, sie ist die Richtige. Die Katze ist eine gute Regierung, sie regiert mich tadellos. Alles ist aufs beste geregelt, nie redet sie Stuss, und wenn ich einmal nachlässig bin in der Hingabe und in der Versorgung, dann bin ich das nicht lange. Die Katze gibt mir einen kleinen Hinweis, ich korrigiere den Fehler unverzüglich, und alles geht seinen Gang. Die Regentschaft der Katze ist das ideale Modell für Deutschland.
Nur würden die Deutschen die Katze nicht wählen – dazu sind sie zu fantasielos und dumm. Was tun? Ich müsste die Wähler dazu bringen, ein unauflösbares Patt herbeizuführen – und dann würde die Katze die Verantwortung übernehmen. Das war der Plan, und so ging ich vor:
Wochenlang schuftete ich im Fotoshop-Programm an den Gesichtszügen Angela Merkels. Es war Knochenarbeit, Sonderschicht um Sonderschicht musste heruntergerissen werden. Die Fotos, die ich von ihr in Umlauf brachte, ließen stalinistische Retusche steinzeitalt aussehen: Nur Menschen ab 20 Dioptrin aufwärts würden glauben, im Nebel vor ihren Augen Angela Merkel zu erkennen. Darüber hinaus mietete ich bei einem Kirchentagsausstatter einen Haufen junger Leute, die bereit waren, sich gegen Bargeld mit dem Hochhalten von „Angie“-Schildern der Lächerlichkeit preiszugeben. Das Merkel als „Angie“ – man müsste nicht nur blindfischig, sondern auch noch libidotot sein, um den Schwindel nicht zu bemerken.
Dann kümmerte ich mich um den weiblichen CDU-Anhang. Ich gründete die Bewegung „Frauen gegen Merkel“ und erzielte die erhoffte Wirkung: Sofort hatte ich das erwünschte Frauengrauen in Gegenposition gebracht. Alice Schwarzer, Monika Maron und Thea Dorn warfen sich für Merkel in die Bütt. Wunderbar – so einfach wie diesen Dreierpack hatte ich noch niemanden manipuliert. Angesichts solcher Unterstützung würde manche potenzielle CDU-Wählerin vor der Urne kehrtmachen.
Für oder gegen die FDP und die Grünen musste ich nichts unternehmen – die erledigen sich selbst. Nur in Gegenden, wo sie auf den Mitleidsbonus setzten, ließ ich zur Erinnerung Fotos von Guido Westerwelle und Claudia Roth kleben.
Auch die Linkspartei machte mir keine Arbeit – die nahmen mir unbezahlt alle anderen ab und gifteten und stänkerten Gysi und Lafontaine über die Fünfprozenthürde. Als Wahlkampfleiter der beiden Politikheimkehrer hätte ich mir das kaum besser ausdenken können: So lange behaupten, dass jeder, der die linken Zwerge wähle, eigentlich ein Rechter sei, bis auch im Verdrossensten noch ein antiautoritärer Reflex zündete.
Um die Sozialdemokratie muss man sich kaum kümmern – sie schmelzt sich seit 1914 kontinuierlich selbst ab, nimmt ihren Feinden die Schmutzarbeit weg und wird zum Lohn & Hohn in die Opposition geschickt, bis die andere Seite wieder alles versemmelt hat. Zur Sicherheit aber schenkte ich Gerhard Schröder den Halbsatz „Damit Deutschland sozial bleibt“. Der vollgummige Mann merkte wie immer nichts.
Im Gegenzug rief ich Frank Schirrmacher an. Vor Jahren war ich ihm bei der Beschaffung einer Doktorarbeit behilflich gewesen. Er schuldete mir einen Gefallen, und ich wusste, wie man ihn anzufassen hatte. Ich pitchte meine Stimme ins Kasernige und herrschte ihn an: „Sie werden in der FAZ einen Leitartikel über die Wunderwaffe Paul Kirchhof schreiben! Sie werden ihn zum Schamanen machen, zum Erlöser, zum Medizinmann!“ Schirrmacher kuschte, ich diktierte: „Dafür steht er. Für die Medizin, die ein Lebensmittel werden soll. Für das Lebensmittel, das Deutschland kräftigen soll.“ Schirrmacher tippte keuchend mit. „Der Quatsch wird vier Tage vor der Wahl im Feuilleton veröffentlicht, als Geburtstagsgeschenk für meinen Vater!“, befahl ich. Schirrmachers devotes „Ja-ha“ glibberte durch die Leitung. Kein Wunder: Seitdem Schirrmacher als Hohepriester den nassen Besen schwingt, ist FAZ nur noch das Kürzel für „Fuck Ass, Zombie“.
Zu guter Letzt gab es noch die Hitleranbeter von der NPD. Ihren größten Erfolg hatten sie zuletzt in Sachsen verbucht und kameradeten seitdem im Landtag in Dresden herum. Hier setzte ich an. Kerstin Bärbel Lorenz, Direktkandidatin der NPD für den Bundestag im Dresdner Wahlkreis 160, erlitt am 5. September auf einer Wahlveranstaltung einen Gehirnschlag und starb am 7. September. Der Vorgang löste Verwirrung aus. Gehirnschlag? Bei einer NPD-Kandidatin? Das kann nicht sein, das ist unmöglich, meinten nicht wenige. Andere dagegen freuten sich, dass sie nun endlich wussten, was Nano-Technologie ist.
Alles war eingestielt und gerichtet. Die Katze rollte sich friedlich auf meinem Bauch zusammen und schnurrte voller Behagen. Ich kraulte sie sacht, ihre spitzen Ohren zitterten im Traum. Am Sonntag würden die Deutschen ganz gegen ihren Willen, auf den sie so stolz waren, weise wählen und die Katze zum Kanzler machen, und zum ersten Mal seit seinem Bestehen würde Deutschland Ruhe geben.
WIGLAF DROSTE