Eine junge Politikerin möchte Filme empfohlen bekommen, in denen Deutsche sterben. Ist das jetzt Rassismus gegenüber sich selbst?
: Von der kleinen Geschmacklosigkeit zum Skandal

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Überall hat man in den letzten Tagen das Foto einer lächelnden jungen Frau sehen können und daneben einen Screenshot ihres Postings auf einer Seite, die sich „Deutsch mich nicht voll“ nennt.

Es gab eine Höllenaufregung, alle kannten diesen Screenshot. Alle hatten etwas dazu zu sagen, und da musste auch ich mich fragen: Was ist da los? Wie kann man sich mit einem einzigen Satz, den man nicht mal ernst gemeint hat, so ins Abseits stellen, gar in Gefahr begeben? Und was wäre, wenn da statt ‚Deutsche‘ jetzt ‚Juden‘ oder ‚Moslems‘ gestanden hätte?

Das haben sich übrigens viele gefragt. Das ist wie ein Reflex gewesen. Das wäre doch dasselbe gewesen, oder? Oder nicht? Moslems, Juden, Deutsche? Und deshalb wäre das eine rassistische Aussage gewesen, Rassismus gegen Deutsche, jawohl. Allerdings beträfe das dann auch deutsche Moslems und Juden. Deutsch ist keine Hautfarbe, keine Religion, es ist eine Staatszugehörigkeit. Ich bin Deutsche. Die Hamburger Linkenpolitikerin Frau Rambatz ist auch Deutsche. Und das ist der nächste Fehler in diesem Vergleich.

Wenn Frau Rambatz antideutsche Filmempfehlungen sucht, in denen Deutsche sterben, dann sucht sie Filmempfehlungen, in denen nicht fremde, sondern Menschen einer Gruppe, zu der sie selbst gehört, sterben. Kann man rassistisch sich selbst gegenüber sein? Das ist doch Unsinn! Das kann doch wirklich keiner bei Verstand so verstehen. Ich weiß natürlich nicht, ob sie tatsächlich gerne Filme sieht, in denen Menschen sterben, und ob es ihr dann lieber ist, dass dann in diesen Filmen deutsche Menschen sterben, als wenn es zum Beispiel französische Menschen oder schwedische Menschen wären, was eine gleich hässliche Vorliebe wäre. Aber Filme, in denen möglichst viele Nazis sterben, sind durchaus beliebt, zum Beispiel „Inglou­rious Bastards“.

Es gibt Menschen, die haben als Lieblingsfilm „Das Schweigen der Lämmer“. Die sehen sich diesen Film immer und immer wieder an, weil sie ihn geil finden. Darin werden Menschen entführt, gequält, geschlachtet und verspeist. Niemand verurteilt einen dafür, dass man solch einen Lieblingsfilm hat. Weil es halt nur irgendwelche Menschen sind, die dort entführt, gequält, geschlachtet und verspeist werden.

Frau Rambatz aber möchte gerne Filme sehen, in denen explizit Deutsche sterben. Ich bezweifle übrigens, dass sie das wirklich gerne möchte. Sie möchte es nur gerne SAGEN. Ich finde es schon wichtig, zu betonen, dass Frau Rambatz nicht gesagt hat, sie möchte gerne Deutsche sterben sehen, sondern dass es um Filmempfehlungen ging. Wenn man von einer solchen Filmempfehlung auf eine tatsächliche Vorliebe schließen müsste, wie wäre es dann mit all den Liebhabern des Lämmerfilmes? Wären die dann auch echte Liebhaber von Kannibalismus? Das möchte ich eher nicht glauben. Frau Rambatz hat also etwas Geschmackloses gesagt, in einer geschlossenen FB-Gruppe, was dann vom Geschlossenen ins Öffentliche gekommen ist.

Als Politikerin muss man sich überlegen, was man sagt, weil man ein Vorbild sein will. Ich finde es dessen ungeachtet schlimm, dass sie jetzt bedroht wird, von diesen Leuten, die das Deutschsein an sich so wichtig nehmen, und ich finde auch, dass hier eine kleine Geschichte zu einem mittleren Skandal aufgebauscht wurde. Ich bin auch Deutsche, warum fühle ich mich nicht so besonders betroffen?

In meiner Kindheit und Jugend hat man uns immer wieder gesagt, wir sollten stolz darauf sein, Bürger der Deutschen Demokratischen Republik zu sein. Aber das funktioniert so nicht. Und dann habe ich irgendwann angefangen, allen zu misstrauen, die ihren Stolz nicht aus ihrer eigenen Leistung beziehen, sondern aus ihrem Status.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr neuer Roman „Das Dorf“ ist kürzlich bei Rowohlt Berlin erschienen.