So viel Kritik muss sein: Jan-Paul Koopmann über den Leonard-Cohen-Liederabend „You Want It Darker“
: Mit dem Finger in die Wunde

Wiederauferstanden ist er nicht, der Mann mit dem Hut und der unverwechselbaren tiefen Stimme. Auch im übertragenden Sinne nicht, denn die zweite Ausgabe des Leonard-Cohen-Liederabends am Theater Bremen lässt den im November vergangenen Jahres verstorbenen Dichter und Sänger durch seine Abwesenheit glänzen.

Die Songtexte, klar, die sind von ihm, aber da hört es auch fast schon wieder auf. Regisseur Felix Rothenhäusler und sein musikalischer Leiter Matthias Krieg lassen die Band mit Cohens Material spielen und treiben ihren Chor in eine zunächst schwer verdauliche Hektik, die irgendwie zwar Spaß macht, aber wirklich so gar nicht nach Cohen klingt.

Das Tempo überrascht schon deshalb, weil Cohens Spätwerk, dem gut die Hälfte der Songs entstammt, doch so raunend, so düster und prophetisch daher kommt. Weil gerade „You Want It Darker“, dem die Veranstaltung ihren Titel verdankt, doch von allen als Todesahnung verstanden wurde: „Hineni. Hineni. / I’m ready, my Lord“, sang Cohen kurz vor seinem Ende und musste direkt auf der nächsten Pressekonferenz nervös gewordene Journalisten beruhigen.

Erstaunlich ist aber: Gänsehaut macht auch die schmissige und mit Körpereinsatz vorgetragene Chornummer noch, die hier im Theater zu hören ist. Und sie provoziert mit Vorsatz: „You Want It Darker“, schallt es von der Bühne, woraufhin im Zuschauerraum das Licht nicht aus-, sondern angeht. Gerade will man sich ärgern und alles viel besser wissen – da geht es selbstbewusst weiter mit „A Singer Must Die“, das Cohen einst für und gegen seine Kritiker gedichtet hat.

Aber ist es nun schlecht, wenn sich eine Inszenierung dem schlichten Nachsingen verweigert und tatsächlich mit ihrem Material arbeitet? Im Gegenteil: das im Übrigen auch kommerziell höchst erfolgreiche Liederabend-Format des Theaters kommt doch da erst zu seinem Recht, wo es keinen halbgaren Fan-Service abliefert, sondern nachdenkt, etwas zu sagen hat und sich dann auch traut, vor den Kopf zu stoßen.

Nur riskant ist es eben auch. Dass Rothenhäusler und Krieg sich nicht verheben, liegt vor allem an ihrer guten Band und dem ausgezeichneten Chor. Und an einem Ensemble im Haus, mit dem sich dann auch gleich noch eine ganze Latte an Solonummern bestreiten lässt.

Da werden noch echte Überraschungen aus Cohens Repertoire geborgen: Am nachdrücklichsten kommt hier Matthieu Svetchines zur Geltung, dessen von rotziger Wut getragene Fassung von „Avalanche“ zwar wirklich nichts von Cohens Stimme, dafür aber alles von seinem Zorn hat.

Um diese Lieder herum passiert nicht viel auf der Bühne. Hin und wieder erscheinen Fragen an der Wand. „Wo ist dieser alte Hut?“, steht da etwa in Großbuchstaben in der hübsch-hippiehaften Kaleidoskop-Projektion. Und zwischen den Liedern wird natürlich auch nochmal die Geschichte von Cohens Muse Marianne („So Long Marianne“, hier gesungen von Mirjam Rast) erzählt, der er noch im vergangenen Jahr an ihr Sterbebett schrieb, dass er bald nachkommen werde.

Vor allem aber bestreiten die Lieder selbst den Abend, der dann doch vor allem ein Konzert ist. Ein schönes, das einen nach eineinhalb Stunden auch wieder entlässt und – jede Wette – zu Hause noch den ein oder anderen Plattenspieler in Gang setzt.

Wieder am: 20. und 23. September um 20 Uhr sowie am 1. und 29. Oktober um 18.30 Uhr, Theater Bremen, Kleines Haus