Rebecca Barth lauscht demokratiebewussten Rockern: Biker entdecken die Bürgerrechte
Den Hells Angels geht’s an die Kutte und das geht ja mal gar nicht. Meinen zumindest die Betroffenen und laden am Mittwochnachmittag zur Pressekonferenz in den Speisesaal eines Hostels in Friedrichshain. Vier angegraute Typen, breit wie hoch plus Anwalt, sind anwesend, um für nichts Geringeres zu kämpfen als für die Freiheit.
Natürlich nicht die der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, womit Ermittler Rocker-Clubs wie die Hells Angels immer wieder in Verbindung bringen. Nein, hier geht es um Menschenrechte. Die seien nämlich bedroht, weil die Hells Angels ihre Vereinszeichen seit Anfang des Jahres nicht mehr in der Öffentlichkeit zeigen dürfen. Grund dafür ist eine Verschärfung des Vereinsgesetzes.
Demnach dürfen Kennzeichen eines verbotenen Vereins sowie solche, die mit Zeichen eines verbotenen Vereins in Zusammenhang stehen, von anderen Gruppierungen nicht mehr getragen werden. Für die Clubs der Hells Angels, Gremium MC und Bandidos hatte dies zur Folge, dass ihre „Colour“ bundesweit verboten wurde. Schon im Januar sprachen die Bosse der drei Clubs von Sippenhaft. Die Rocker fürchten um ihre Vereinskultur und wollen am Samstag mit einer Demonstration unter dem Motto „Freedom is our religion“ den Freiheitskampf aufnehmen. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis das Gesetz auch gegen andere Vereinigungen friedfertiger Menschen angewendet werde.
Auch eine Verfassungsbeschwerde habe man zusammen mit den anderen Rocker-Clubs vorbereitet. Sie wird derzeit geprüft. Sollten sie damit keinen Erfolg haben, werde man auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, so die Rocker.
„Es ist ein Witz der Geschichte, dass gerade diejenigen, die sich als Outlaws bezeichnen, nun ihr Demonstrationsrecht ausüben wollen“, echauffierte sich der SPD-Politiker Tom Schreiber am Mittwoch. Fraglich bleibt aber auch, inwieweit das „Colour-Verbot“ hilft, organisierte Kriminalität zu bekämpfen. Unter diesem Vorwand wurde es nämlich eingeführt. Es führt jedoch nicht zur Auflösung eines Vereins. Es verschwinden nur die Kennzeichen aus dem öffentlichen Raum. Für die Linken-Politikerin Ulla Jelpke ist das Verbot bestenfalls ein „Placebo“.
„Wir wollen einfach nur Motorrad fahren“, sagt jedenfalls André Sommer, Präsident der Berliner Hells Angels MC Nomads. Die Szene sei ruhig, sagte er, auf einen angeblichen Rocker-Krieg angesprochen. Klar gebe es mal einen Zusammenstoß. Private Fehden wie auf jedem Schützenfest. Als Sommer selbst vor einigen Jahren mal von sechs Kugeln durchsiebt wurde, befand er sich allerdings nicht auf einem Schützenfest.
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