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Neue Heimat voller Liebe

VOLKSTHEATER Das Ohnsorg-Theater startet mit „Romeo un Julia“ in die erste Spielzeit des neuen Intendanten Michael Lang. Regisseur Murat Yeginer stellt dabei en passant auch die Frage nach dem Heimatbegriff

von Robert Matthies

Schwierigkeiten bei der Verständigung und Vorbehalte gegen den „Neuen“ gab’s zum Auftakt der ersten Spielzeit unter der Intendanz von Michael Lang am Ohnsorg-Theater offensichtlich keine. Anfang August hat der ehemalige Chef der Komödie Winterhuder Fährhaus die Leitung von Christian Seeler übernommen, der fast 22 Jahre an der Spitze des berühmten Privattheaters stand. Nach der Premiere von „Romeo un Julia“ am vergangenen Wochenende feierten beide in trauter Eintracht den Neubeginn.

Denn Lang knüpft genau dort an, wohin Seeler das traditionsreiche Haus in den vergangenen Jahren schon ganz erfolgreich gesteuert hat: Mit plattdeutschen Volkstheater-Versionen von Klassikern oder populären Kinofilmen wie Fatih Akins „Soul Kitchen“ oder Til Schweigers „Honig im Kopf“ hat Seeler die heimattümelnde Bauern- und Fischerschwank-Patina behutsam überstrichen und dem Theater damit ein dringend benötigtes jüngeres Publikum erschlossen, ohne das Stammpub­likum zu verschrecken.

„Modernes Volkstheater“ nannte Seeler sein Konzept. Und „zeitgemäßes und urbanes Volkstheater in einer sich wandelnden Gesellschaft“ will von nun an auch Michael Lang auf die Ohnsorg-Bühne bringen. Eine neue Richtung hatte Lang schon am Unterhaltungstheater in Winterhude vor 16 Jahren eingeschlagen. In der zweiten, kleinen Spielstätte dort, dem „Theater Kontraste“, ist seitdem ein Kontrastprogramm zu den meist seichten Boulevardstücken im großen Saal zu sehen: unterhaltsame Kammerstücke mit Gegenwartsbezug, gesellschaftskritischen Themen und schwarzem Humor.

Vor allem Regisseur Murat Yeginer kam dort in den vergangenen Jahren beim Publikum gut an. Vor zwei Jahren etwa mit Philipp Löhles „Wir sind keine Barbaren“, einer bösen Komödie über eine vegan und fit lebende deutsche Familie in Zeiten von Flüchtlingsdebatte und AfD, deren makellos scheinende Fassade zu bröckeln beginnt, als sie einen Fremden aufnimmt.

Dass Lang nun die erste Premiere seiner ersten Spielzeit Yeginer anvertraut hat, ist also ein folgerichtiger Schachzug. Und tatsächlich gelingt es dem selbst ernannten „Theaterfanatiker“ mühelos, die Tradition des Ohnsorg-Theaters mit Langs neuem Anspruch zu versöhnen: Aus dem Shakespeare-Klassiker über die Liebe der Sprößlinge zweier verfeindeter Familien macht Yeginer ein ebenso unterhaltsames wie poetisches Stück über Verständigungsschwierigkeiten und Übersetzungsprobleme, über Vorbehalte im Umgang mit dem Anderen und die Macht der Liebe, alle Unterschiede und Gräben zu überwinden.

Kurzerhand verlegt Yeginer die Geschichte in einen Zirkus, in dem sich zwei Zirkusfamilien gegenüberstehen. Warum die sich so hassen, bleibt – wie bei Shakespeare – unklar. Dass sie sich schlecht verstehen, ist aber diesmal unüberhörbar: Die Capulets sprechen nur Hoch-, die Montagues nur Plattdeutsch. Und so wird die erste Annäherung der beiden Verliebten kurzerhand zum Sprachunterricht – auch fürs Publikum.

Das Drama in die Manege zu verlegen, entpuppt sich dabei als geschickter Regie-Kniff: Nicht nur treffen im Zirkus eben immer schon Menschen unterschiedlicher Herkunft und eben Sprache aufeinander und lassen die unschuldige Liebesgeschichte so als Farce einer multikulturellen Gesellschaft erscheinen. Die von Bühnenbildnerin Beate Zoff verspielt-detailreich gestaltete und sich immer wieder drehende Bühne ermöglicht Yeginer auch, das typische Volkstheater-Tempo mit zeitgenössischem Regietheater zu verknüpfen.

So ergeben sich jede Menge Gelegenheiten für derbe Späße und zotige Zweideutigkeiten – ganz im Sinne Shakespeares. Da tritt der Diener von Julias Kindermädchen mit einer ungezogenen Bauchrednerpuppe auf, Romeo ist ein dösbaddelig verträumter Clown und zum High Noon der beiden Familien spielt Mercutio auf der Mundharmonika die Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“.

Vor allem die kaum hörbaren Töne aber geben dem Stück eine eigene Melodie. Dass Julia von einer gebürtigen Südkoreanerin gespielt wird und unter der weißen Maske des zum Pierrot mutierten Bruders Lorenzo ein Deutscher mit dunklerer Hautfarbe steckt: um all das macht Yeginer überhaupt nicht viel Aufhebens. Und stellt so ganz en passant im traditionsreichen Volkstheater auch die Frage nach der Heimat neu. Denn die hat für Yeginer ohnehin nichts mit Herkunft zu tun: Die ist immer da, wo man gemeinsam lachen kann.

Nächste Aufführungen: Sa/So, 2./3. 9., 16 + 19.30 Uhr; Mo, 4. 9., 19.30 Uhr, Di, 5. 9., 19.30 Uhr; Ohnsorg Theater

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