: Authentische jüdische Quellen
Eine jüdische Familie aus Bochum wird 1938 auseinander gerissen. Den Briefwechsel zwischen Karola und Simon Freimark und ihren Kindern Stefanie und Jerry dokumentiert das gerade bei Klartext veröffentlichte Buch „Es lebe das Leben...“.
Während die Kinder frühzeitig in die USA emigrieren können, erfahren die Eltern in Bochum die Segregationspolitik der Nationalsozialisten am eigenen Leib. 1942 werden sie nach Theresienstadt deportiert, der Briefwechsel reißt ab. Die Kinder sind krank vor Sorge. Doch die Eltern überleben das Konzentrationslager, leben für Monate in einem Flüchtlingslager in Bayern, bevor sie ihren Kindern 1946 in die USA folgen können. Jerry Freimark bricht beim Wiedersehen völlig zusammen. Gemeinsam versucht die Familie, das Geschehene zu verarbeiten – auf unterschiedliche Weise. Karola Freimark schreibt ihre Erlebnisse auf, Jerry sucht Hilfe bei einem Psychotherapeuten.
„Das kann man sich gar nicht dramatisch genug vorstellen“, sagt der Herausgeber Hubert Schneider. Er hatte Jerry Freimark 1995 kennen gelernt, als dieser das erste Mal seit seiner Emigration wieder in Bochum war. Oberbürgermeister Ernst-Otto Stüber hatte Überlebende der jüdischen Gemeinde eingeladen: 50 kamen in die alte, oft verhasste Heimat. Jerry Freimark erinnerte sich dabei an die Briefe seiner Eltern, die auf dem Speicher seines Hauses in Philadelphia lagerten. „Als ich die Briefe dann gesehen habe, wurde mir klar, was man daraus machen kann“, sagt Schneider, der emeritierte Geschichtsdozent der Ruhr-Uni Bochum. Nur mit authentischen Quellen könne man den Alltag der Juden damals dokumentieren.
Insgesamt 102 Briefe sind erhalten, der Großteil davon von den Eltern an die Kinder. Darin berichten sie vom alltäglichen Leben in Bochum, von Nachbarn und Freunden. Der Ton ist bedrückt, der Wunsch nach Emigration zieht sich wie ein roter Faden durch alle Briefe der Eltern. Trotzdem versucht besonders Mutter Karola, ihren Optimismus nicht zu verlieren und beginnt sogar Englisch zu lernen.
MAREN MEIßNER
Klartext-Verlag, Essen 354 Seiten, 29,90 Euro