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Archiv-Artikel

Zur Hochrechnung ging Gilberto duschen

Der Auftakt war großartig: Schon lange hatte Hertha nicht mehr so dominant begonnen. Doch in der 25. Minute – also kurz vor 18 Uhr – sah Gilberto Gelb-Rot, und am Schluss waren die Berliner glücklich mit dem 0:0 gegen Schalke

Falko Götz ist ein höflicher Mensch. Vor dem Spiel bei Schalke 04 wollte der Hertha-Trainer nicht Stellung nehmen zur Stimmung in Gelsenkirchen. Es hatte gewaltig rumort beim gestrigen Gegner der Berliner am 5. Spieltag der Fußball-Bundesliga. Nach einem miesen Spiel in der Champions League polterte Schalke-Manager Rudi Assauer mächtig und bescherte dem selbst ernannten Meisterschaftskandidaten die erste handfeste Krise.

Kein Wort also darüber von Falko Götz zur Presse. Doch er schien geahnt zu haben, dass die Schalker Spieler verunsichert sind nach der Tirade ihres Managers. Er schickte eine Mannschaft auf den Platz, die sofort das Spielgeschehen an sich gerissen hat. So hat man die Berliner lange nicht spielen sehen auf des Gegners Platz. Am Ende holte Berlin einen Punkt in Gelsenkirchen, und die Herthaner freuten sich riesig – obwohl ein Sieg durchaus möglich gewesen wäre.

Es war keine Viertelstunde gespielt, da konnten sich die Berliner in aller Seelenruhe den Ball vor dem Strafraum der Schalker so lange zuschieben, bis Marco Pantelic frei vor des Gegners Tor war. Es war eine symbolische Szene. Schalke stand viel zu weit vom Gegner weg, ging äußerst zurückhaltend in die Zweikämpfe, und endlich kam auch Marcelinho so zum Zug, wie man es bei Hertha von ihm erwartet.

Die Gäste traten auf wie eine Heimmannschaft – mit breiter Brust. Sie hatten einfach eine bessere Woche hinter sich als ihr Gegner. Auch die Berliner waren in der vergangenen Woche in Europa unterwegs. Auch sie haben alles andere als überzeugt beim glücklichen 1:0-Sieg auf Zypern. Aber sie haben eben gewonnen. Und so blieb den Berlinern eine Diskussion erspart, wie sie derzeit in Gelsenkirchen stattfindet. Manchmal kann es so einfach sein.

Doch dann beging Gilberto, jener Mann, der beim Sieg vor einer Woche in Wolfsburg noch so geglänzt hatte, eine Dämlichkeit, die ihm die gelb-rote Karte eingebracht hat: Zunächst stellte er seinem Landsmann Lincoln ein Bein. Dafür gab es Gelb. Gilberto brachte seinen Protest gegen diese Entscheidung dadurch zum Ausdruck, dass er sie beklatschte. Das aber ist verboten und wird für gewöhnlich mit Gelb betraft. Gilberto musste also in der 25. Spielminute das Feld verlassen. Aus war es mit dem selbstbewussten Auftritt. Und es standen sich zwei Mannschaften gegenüber, die so recht nicht wussten, wie sie das Spiel gestalten sollten.

Es entwickelte sich das, was in der Bundesliga ein ganz normales Spitzenspiel ist. Die zwei ideenlosen Mannschaften, die da gegeneinander gekickt haben, gehören zur deutschen Fußballelite. Der Vizemeister spielte gegen den Vierten der vergangenen Saison. Und wer dieses Spiel beobachtet hat, der wird sich nicht wundern, warum sich die deutschen Clubs so schwer tun in den europäischen Wettbewerben. Schalke trug den Ball immer wieder in aller Ruhe nach vorne, und wenn die wacker kämpfenden Berliner einmal ein wenig unachtsam waren, dann kam schon einmal ein Schalker zum Schuss. Eine von Anfang bis zum Ende durchdachte Aktion der Gastgeber bekamen die Zuschauer in Gelsenkirchen indes nicht zu sehen. Auf der Gegenseite vergab die neue Berliner Sturmhoffnung, der fleißig über den Platz rennende Pantelic, beste Konterchancen in guter alter Fredi-Bobic-Manier. Logische Folge des planlosen Gekickes: ein 0:0. Vielleicht ein typisches Ergebnis in einem typischen Bundesligaspitzenspiel.

In Schalke wird das Krisengerede wohl nicht verebben. In Berlin wird man dagegen in Ruhe weiterarbeiten können. Immerhin hat Hertha einen Punkt beim Vizemeister geholt und darf sich auch vor dem nächsten Spiel Spitzenmannschaft nennen.

ANDREAS RÜTTENAUER