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„Tagsüber philosophieren, abends Musik“

FESTIVAL Es geht um Digitalisierung und Identität: Das Fuchsbau-Festival verbindet Feiern mit Input

Christoffer Horlitz

25, studiert internationale Politik in Berlin. Er ist künstlerischer Leiter des Fuchsbau-Festivals und war von Anfang an dabei.

taz: Herr Horlitz, wer will auf einem Festival über Themen wie Digitalisierung reden?

Christoffer Horlitz: Das ist gar nicht so abwegig oder anstrengend. Man kann tagsüber über Digitalisierung philosophieren und sich abends spannende Acts angucken.

Feiern mit Input also, und das mitten im Grünen – haben die Leute einen Kopf dafür?

Ja. Ein Festival ist immer ein Ausnahmezustand. Wenn man sich drei Tage lang irgendwo befindet, zu wenig schläft, feiert, begibt man sich in einen Zustand, indem man teilweise weniger aufnahmefähig ist, aber gleichzeitig auch vieles intensiver erfährt.

Was ist Ihr Konzept?

Unser musikalisches Programm ist sehr genreübergreifend: von Neoklassik bis House, Techno, Indierock, Hip-Hop. Viele interessieren sich für Teile des Programms und werden dann auf andere Teile gestoßen. Vielleicht finde ich in einem Kunstwerk ein Thema, das ich in der Musik eines anderen Künstlers wiederfinde. Wir verhandeln vieles, was man auch auf Konferenzen findet, aber bei uns wird persönlicher diskutiert und entspannter.

Wieso ist jetzt Digitalisierung das angesagte Thema?

Wir haben gemerkt, wie sehr Technik in unseren Körper und Geist eingreift. Ohne Smartphone sind wir völlig aufgeschmissen. Die Frage ist: Was bedeutet das für mich als Mensch?

Und?

Es gibt viele Antworten. Auf dem Festival wollen wir der Frage in 80 Programmpunkten nachgehen. Nicht ausgeschlossen, dass man mit mehr Fragen rausgeht, als man rein gekommen ist.

Welchen Einfluss hat Digitalisierung aufs Alleinsein?

Eva Illouz wird im Workshop darüber sprechen, wie die Narrative, die wir in sozialen Medien von uns aufbauen, und in herrlich perfekten Lebensläufen von uns stricken, in Beziehungen heute viel mehr aufeinanderprallen. Vor 50 Jahren gab es den Individualisierungsgedanken noch nicht so stark. Heute findet er sich auch in kleinen Beziehungen im Alltag wieder.

Wer organisiert eigentlich das Festival?

Wir sind ein Kollektiv, 20 Menschen aus unterschiedlichen Richtungen, von SozialarbeiterInnen bis Studis und KünstlerInnen. Wir verdienen kein Geld damit. Als gemeinnütziger Verein bekommen wir teilweise öffentliche Förderung.

Das Festival findet auf einem besonderen Gelände statt.

Genau. Es heißt „Titanien“ und ist das Gelände einer alten Ziegelfabrik. In den 80ern wurde es besetzt, es hat noch immer die Atmosphäre eines besetzten Geländes. Hier wohnen auch noch 20 Menschen.

Wie ist das Festival vor sechs Jahren entstanden?

Die Idee war, dass Hannover dringend selbstorganisierte junge Kulturprojekte braucht. Wir haben dann ein Zweitagesfestival in der Innenstadt organisiert. Im Laufe der Jahre sind wir größer und strukturierter geworden. Als Festival haben wir die Chance, Acts und Denker einzuladen, die nach marktwirtschaftlichen Gesichtpunkten nicht funktionieren, weil sie zu experimentell sind oder nicht so bekannt. Aber auf dem Fuchsbau sind die Leute super aufmerksam und wertschätzen das. Interview: KSCH

Fuchsbau Festival: 11.–13. 8., Lehrte. Tickets und alle Infos: http://fuchsbau-festival.de

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