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Terror mit Happy End

Theater Am Staatstheater Oldenburg wird die deutschsprachige Erstaufführung „Utøya“ von Edoardo Erba gezeigt. Über Figurenklischees und Fernsehfilmunterhaltung kommt das Stück nicht hinaus

Lehrer Gunnar trödelt als Alt-Sozialist so vor sich hin. Seine Gattin liest ihm aus Frauenzeitschriften einen Text über richtige Männer vor. Und betont, sie wolle jetzt eine Katze. Gunnar hasst Katzen. Und schon geht’s los. Was anfängt wie ein schlichtes Beziehungsdrama endet in einer Katastrophe. Das Staatstheater Oldenburg zeigt die deutschsprachige Erstaufführung des Stücks Utøya von Edoardo Erba.

Der Fokus des Stückes mag erstaunen. Denn der eine oder die andere denkt bei dem Stichwort an den selbst ernannten Tempelritter Anders Behring Breivik, der 2011 auf der norwegischen Insel Utøya wahllos Jugendliche mordete, die an einem Sommercamp der Sozialdemokraten teilnahmen. Bücher, Filme, Wissenschaft und Theater haben sich damit beschäftigt. Stets stand der Täter als Visionär seiner Tat und dystopischer Superheld im Mittelpunkt. Wer waren, was dachten die Opfer, ihre Eltern, die eingesetzten Beamten?

Erbas Dialogdrama verspricht einen Perspektivenwechsel. Es mischt Gunnars Szenen seiner Ehe mit den ebenso schwierigen Szenen der Geschwisterliebe von Inga und Petter sowie peinvollen Anbaggerszenen eines ältlichen Polizisten mit einer jungen Kollegin. Dass Erba mehr als Figurenklischees entwickelt hat, kann nicht behauptet werden. Zudem vermag nur Franziska Werner als Inga eine dezent mehrschichtige Rollengestaltung abzuliefern und mit ihrem Partner Fabian Kulp den Abend mit etwas Seelenfeuer zu erhellen.

Wie im Horrorfilm wird erst einmal Alltagsidylle gezeigt, hier der putzige Beziehungsknatsch, bis das Böse immer näher kommt und die Katastrophe initiiert. Die Polizei muss zum Einsatz ausrücken, in dem Massenmörder erkennen die Geschwister ihren Nachbarn und Gunnar bangt samt Gattin um die gemeinsame Tochter, die auf Utøya von Konsumwahn und Smartphonesucht geheilt werden sollte. Aber diese Bezüge sind so schlicht konstruiert wie in steif dröger Art inszeniert.

Noch schlimmer: Die Terror- und Rechtsradikalismusdebatte verkommt zur spannungsfördernden Folie der verbalen Pärchen-Balgerei. So ist es schwierig, ihr als Rahmung noch das gesellschaftliche Klima einzuschreiben, in dem ein solches Attentat gedeihen konnte.

Die Breivik-Biografie der norwegischen Journalistin Åsne Seierstads ist „Einer von uns“ betitelt, was als These im Stück zitiert wird. Milo Rau knüpfte dort schon ein Jahr nach dem Massaker an und entdramatisierte einen Rechtfertigungsmonolog Breiviks, um zu zeigen, dass darin nicht nur Allgemeingut der Rechten und Islamophobiker formuliert ist, sondern auch der Commonsense des konservativen Mainstreams – eine mehrheitsfähige Geisteshaltung.

Wie viel Breivik steckt in uns allen? Das will auch Erba zeigen. Aber was fügt er als Beweis an? Inga bezichtigt sich, Vorurteile gegenüber Ausländern zu haben, einem adretten Maghrebiner verweigerte sie daher die Heirat. Auf die Frage, wer die Anschläge verübt habe, poltert Bruder Petter: „Was weiß ich? Die Terroristen. Der Islam. Die eben.“ Gunnars Gattin Malin äußert sich so: „Zu viele Ausländer in Oslo. Zu viel Chaos.“

Das ist es dann fast schon. Polizist Alf höhnt noch über die Utøya-Jugendlichen, dass sie jetzt Spaß tanken, damit sie später, „wenn sie groß sind, den Negern fröhlich die Grenzen sperrangelweit aufreißen können“. Zudem muss er sich als Regelfetischist und Gehorsamsfanatiker gebärden, um recht plump autoritären Charakter auszustellen. Und dann biegt Erba die Paargeschichtchen auch noch in Richtung Happy End. Hailer biegt mit.

Utøya erweist sich als schlechtes Fernsehfilmdrehbuch. Also ideal fürs ZDF. Und eher nichts fürs Theater. Das ja deutlich mehr kann, als brandaktuelle Themen auf dem Szenen-einer-Ehe-Boulevard zu verplempern. Jens Fischer

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