„In ya face!“

Klassiker Vor 25 Jahren startete die Radio-Show „BBBC“ in Deutschland

Szene vom Notting Hill Carnival aus den 1990er Jahren Foto: Getty Images

von Stefan Müller

In der Radioszene des wiedervereinigten Deutschland markierte das Jahr 1992 einen Einschnitt: Der einstige DDR-Jugendsender DT64 stand kurz vor der Abwicklung. In der Berliner Nalepastraße wurden nach der Wende kreative Kräfte freigesetzt, und man machte das vielleicht beste Jugendprogramm aller Zeiten, besonders was die musikalische Vielfalt betraf.

Während elektronische Musik am Wochenende einen wichtigen Stellenwert einnahm, verpflichtete die Musikredaktion ein Londoner Produzenten- und DJ-Team namens „Pressure Drop“ für eine Radioshow, die es so in Deutschland noch nicht gegeben hatte: „BBBC“ – das stand für „Blood Brothers Broadcasting Corporation“ und war ein ironischer Seitenhieb auf die übermächtige britische BBC. Und es stand zugleich für einen eklektischen Mix aus Dub-Reggae, HipHop, Drum&Bass und vor allem TripHop. Zusammengenommen also ein Genre, für das die Briten den Begriff „Leftfield“ erfunden hatten.

Die beiden „Bloodbrothers“ Dave Henley und Justin Langlands hatten ihre Show ganz im Stile der Londoner Piratenradios konzipiert. Dort hatten die beiden ihre Skills Ende der 80er Jahre erprobt. „Out of space – in ya face“, so lautete das Motto. Pate stand aber auch der Notting Hill Carnival, jenes Stadtteilfest in London, das stets am letzten Augustwochenende – also auch am kommenden – die Kultur der Soundsysteme aus Jamaika und anderen karibischen Einwandererländern feiert. Der Carnival war 1959 als Reaktion auf die rassistischen Übergriffe auf Einwanderer entstanden.

Insofern stand BBBC im Programm von DT64 und später MDR Sputnik von Anfang an auch in einer politischen Tradition, denn die Ausstrahlung bei DT64 begann eine Woche nach dem Pogrom von Rostock-Lichtenhagen, am 26. August 1992 lief die erste Folge. Rassisten wegbassen, hätte das Motto lauten können. Und es ging gleich fulminant los: mit der Ansage „This is London!“. Justin kündigte an: „Wir werden die toughsten Tunes spielen plus ein Interview mit Jerry Dammers von den Specials!“. Als erster Tune lief „Jump Around“ von House Of Pain. Aber die Liebe der Bloodbrothers für Reggae war schon unüberhörbar.

Der Hamburger Radiomacher Markus Maack, Fan der ersten Stunde, erinnert sich: „Die Sendung hat mich sofort gepackt, weil sie genau die Musik spielten, die ich mochte. Dazu haben die Blood Brothers eine ganz besondere Art der Moderation mit Effekten, Delays und Echos gehabt.“ Gern erinnern sich die Hörer*nen auch an das heisere und verhallte Lachen von Dave – eines der immer wiederkehrenden Stilmittel bei BBBC.

Die beiden Blutsbrüder aus London hatten ihren eigenen Bandnamen „Pressure Drop“ mit Bedacht gewählt, er sollte eine Reminiszenz sein an einen der größten Hits der jamaikanischen Reggae-Produzenten Toots & the Maytails, der 1972 auch im Reggae-Film „The Harder They Come“ eine zentrale Rolle gespielt hat. „Pressure Drop“ spielten damals mit ihren eigenen Produktionen wie dem Album „Upset“ in einer Liga mit Acts wie Massive Attack aus Bristol, konnten jedoch nicht die gleiche Popularität gewinnen, trotz Radioshow.

„BBBC“ stand von Anfang an auch in einer politischen Tradition

Und was machen Dave und Justin 25 Jahre später? Der eine arbeitet als Haarstylist. Der andere hat gerade damit angefangen, die legendären Radioshows zu digitalisieren und per Mix­cloud.com in die Welt zu schicken.

Worüber sich auch Markus Maack von Byte.FM freut: „Musikalisch habe ich in der Show vor allem HipHop-Instrumentals zu lieben gelernt. Statt der Rap-Versionen von Wu-Tang Clan, Gravediggaz oder Noto­rious BIG haben Justin und Dave sehr gerne einfach nur Instrumentals gespielt“.

mixcloud.com/BloodBrother1