Das Wetter: Der Unscheinbare:
„Ich bin der Unscheinbare!“, rief der Unscheinbare und ließ sein Cape im Wind flattern. Gerade war er gefesselt aus dem Hubschrauber gesprungen und hatte sich noch im Sprung von Handschellen und Ketten befreit, während er mit Kätzchen jongliert hatte. Nun balancierte er auf dem Geländer, das die Dachterrasse umsäumte. Hinter ihm gähnte sechzig Stockwerke tief der Abgrund, vor ihm plauderte die Partygesellschaft weiter und würdigte ihn keines Blickes. Der Unscheinbare griff nach dem Sektglas einer beleibten Dame, die unbeirrt weiterschwatzte, und mischte sich unter die Gäste. „Ich bin der Unscheinbare!“, erklärte er immer wieder, doch niemand reagierte. Er gesellte sich zu einer Gruppe und prahlte, dass er eine Atombombe hochgehen lassen wolle, doch niemand schenkte ihm Gehör. Und erst als er mit Champagnerflaschen nach der Gastgeberin warf, bemerkte die ältere Dame ihn. „Sie müssen der Kellner sein“, vermutete sie. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mutter“, antwortete der Unscheinbare beglückt.
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