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„Ich bin kein kleines Mädchen“

Grüne Beim Landesparteitag haben die niedersächsischen Grünen ihr Personal für die Landtagswahl bestimmt. Auf Platz drei wird die Newcomerin Imke Byl einziehen

Interview Andrea Scharpen

taz: Frau Byl, Sie sind auf Platz drei der Landesliste für die Grünen. Damit ziehen Sie sicher in den Landtag ein. Wie wollen Sie sich dort gegen die alten Herren durchsetzen?

Imke Byl: Ich habe mittlerweile Übung darin, mir nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Aber der Landtag ist natürlich eine Plattform, die Menschen, die sich laut und männlich-dominant verhalten, sehr bevorzugt. Das sind aber nicht unbedingt diejenigen, die gut darin sind, gemeinsam etwas zu erarbeiten. So sollte Demokratie aber ja eigentlich funktionieren: indem man gemeinsam guckt, was das beste für die Menschen ist.

Warum wollen Sie als 24-Jährige in den Landtag?

Ich habe schon mein Studium danach ausgewählt, dass ich etwas bewegen wollte, weil es in so vielen Bereichen in unserer Gesellschaft einfach scheiße läuft. Nehmen wir die Klimapolitik: Ich fand es schon als Zehnjährige super unlogisch, dass man für kurzfristige Profitinteressen das große Ganze einfach vergisst. Da konnte ich nicht nur zuschauen.

Fühlten Sie sich schon mal nicht ernst genommen, weil Sie eine junge Frau sind?

Das passiert mir sehr oft. Ich habe in der Kommunalpolitik tatsächlich schon den Spruch abbekommen: „Wo ist denn unser Schulmädchen?“ Ich habe einen Bachelor-Abschluss, bin 24 Jahre alt und kein kleines Mädchen mehr.

Was entgegnen Sie dann?

Ich versuche meinen Humor zu behalten. Meistens ist es ja nicht böse gemeint, sondern in den Köpfen drin.

Welches Geschlechterklischee kotzt Sie an?

Vor allen Dingen das Klischee der emotionalen Frau, die einen Ritter braucht, der ihr hilft und auf den sie gefälligst auch zu warten hat. Gleichzeitig gibt es aber auch den Erwartungsdruck an Männer: Sei am besten Alleinverdiener, schau nicht, was dir Spaß macht, sondern womit du deine Familie ernähren kannst. Das bekommt eine Frau eher nicht zu hören.

Die Neuenquote

Die Grünen in Niedersachsenhaben beim Parteitag in Göttingen am Wochenende jeden dritten Listenplatz mit jemandem besetzt, der bisher noch nicht im Landtag saß.

Die sogenannte Neuenquotehat 2005 in dem Bundesland das Rotationsprinzip abgelöst, nach dem kein Abgeordneter länger als zwei Legislaturperiode auf seinem Stuhl sitzen sollte.

Damit alle derzeitigen Abgeordnetenwieder erneut in den Landtag einziehen könnten, müssten die Grünen also ein Drittel mehr Stimmen erhalten.

Die Landesvorsitzende Meta Janssen-Kuczzeigte sich offen dafür, im Jahr 2018 eine Kommission einzusetzen, sollte die Partei Diskussionsbedarf sehen: „Wichtig ist uns, dass auch zukünftig engagierte NeueinsteigerInnen auf der Grünen-Landesliste vertreten sind“, sagt sie.

Das schränkt Frauen und Männer ein?

Niemand kann sich frei entwickeln oder herausfinden, was die eigenen Fähigkeiten überhaupt wären. Informatik beispielsweise ist eine krass männerdominierte Sphäre und ich bin mir sehr sicher, dass Mädchen nicht ab der Geburt ein Desinteresse an Informatik haben.

Gab es für Sie ein prägendes Erlebnis, das Sie politisiert hat?

Ich bin schon in einem grünen Elternhaus groß geworden und kann mich nicht daran erinnern, dass ich je unpolitisch war. Aber als ich in der fünften oder sechsten Klasse war, stand die Wahl Merkel gegen Schröder ins Haus. Im Kunstunterricht durften wir beim Zeichnen reden und die ganze Klasse hat nur über diese Wahl gesprochen. Alle haben sich gefragt, wer ist diese Merkel? Kinder sind nicht unpolitisch. Sie werden entpolitisiert.

Und dann sind Sie in die Grüne Jugend eingetreten?

Nein, erst habe ich Hochschulpolitik gemacht. Aber ich war hart enttäuscht, weil es dort fürs Studierendenparlament nur etwa 30 Prozent Wahlbeteiligung gab. Aber die Leute merken eben, dass sie als Studierendenvertreter nur wenig mitent­scheiden dürfen, was an der Hochschule passiert.

So wie in der Schule?

Imke Byl

24, kandidiert auf Listenplatz drei der Grünen für den niedersächsischen Landtag – also noch vor Landwirtschaftsminister Christian Meyer. Sie hat Umweltwissenschaften in Lüneburg studiert und war Sprecherin der Grünen Jugend Niedersachsen.

Genau. Nur da heißt es, ihr seid ja minderjährig, deshalb beteiligen wir euch nicht. Natürlich muss es auch dort Mitbestimmung geben, statt eines fertigen Menüplans, den Schüler vorgesetzt bekommen. Aber an der Hochschule sind erwachsene Menschen und selbst dort gibt es kein Mitbestimmungsrecht.

Fordern Sie deshalb die Absenkung des Wahlalters?

Ja, auf mindestens 16 Jahre. Idealerweise sollte jeder unabhängig seines Alters mitwählen dürfen. Über Politikverdrossenheit muss man sich nicht wundern, wenn man unter 18-Jährigen sagt, du darfst deine Ausbildung anfangen und Steuern zahlen, aber wählen und in unserer Demokratie mitentscheiden, darfst du nicht.

Mit Ihrer Kandidatur verdrängen Sie ein Fraktionsmitglied aus dem Landtag. Gibt es da Missgunst bei den Grünen?

Ich glaube, dass wir Neue im Landtag brauchen und dass es nicht sein kann, dass nur die alte Fraktion einfach wieder gesammelt in den Landtag einzieht, wie in anderen Parteien. Das ist auf jeden Fall Konsens in der Partei.

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