: Vermittlungsmedium der Moderne
AUSSTELLUNG In der Alfred Ehrhardt Stiftung sind mit „Foto-Auge Fritz Block“ die großartigen Bilder eines bislang völlig unbekannten Fotografen der 1920er Jahre zu entdecken – quasi ein Appetizer
![](https://taz.de/private/picture/5433150/516/817740.jpg)
von Brigitte Werneburg
Eine der überraschendsten Ausstellungen in diesem Sommer ist „Foto-Auge Fritz Block“ in der Alfred Ehrhardt Stiftung. Und nachdem man rund 130 wunderbare schwarz-weiße Vintage Prints, 20 Farbvergrößerungen nach original Farbdias und rund ein halbes Dutzend gedruckte Fotoreportagen im Hamburger Anzeiger oder der Schweizer Illustrierten Zeitung gesehen hat, weiß man, dass die einfallsreich und sorgfältig kuratierte Schau nur ein Appetizer sein kann. Denn der promovierte Architekt Fritz Block (1889–1955) ist als Fotograf erst noch zu entdecken.
Dann wird es um die Aufnahmen gehen, die im Exil in Los Angeles entstanden, wo sich der deutschjüdische Baumeister eine neue Existenz als ein Pionier der Farbfotografie aufbaute. Dabei konzentrierte er sich mit seiner Einmannfirma „Dr. Block Color Productions“ ganz auf die Herstellung und den Vertrieb von Dias zu Themen wie Architektur, Kunst, Natur, Technik und Design für den Kunstunterricht an amerikanischen Universitäten, Colleges und Schulen. Das erklärt einerseits, warum dieses Werk, von dem es ja nie Farbabzüge für den Druck gab, bislang nicht wahrgenommen wurde. Andererseits ist dadurch vorstellbar, dass erste späte Prints ganz erstaunliche Bilder dem Vergessen entreißen könnten.
In der Alfred Ehrhardt Stiftung zeigt Ausstellungskurator Roland Jaeger die Anfänge von Fritz Blocks fotografischem Werk, beginnend mit Aufnahmen des Hamburger Deutschlandhauses und des Hafens aus dem Jahr 1929 bis zu den Bildern von New York und Detroit, die auf seiner Amerikareise 1931 entstanden. Anlass, zu fotografieren, war für Fritz Block, der in den 1920er Jahren zu den engagierten Vertretern des Neuen Bauens in Deutschland gehörte, die bildliche Dokumentation des Deutschlandhauses in Hamburg, das er mit seinem Partner Ernst Hochfeld 1928/29 fertiggestellt hatte. Dabei war schnell klar, dass er mit seiner neu gekauften Leica ganz hervorragende Bilder machte, also sichtlich für die Fotografie begabt war.
Medium der Autodidakten
Fritz Block, für den Anspruch und Auftrag der Moderne nicht nur die Gestaltung, sondern auch die Vermittlung betrafen, betrachtete die Fotografie entsprechend als zeitgemäßes Medium, um die Errungenschaften dieser Moderne − sei es in Architektur, Technik oder Großstadtleben − zu kommunizieren. Notwendigerweise war ein solches Medium eines der Autodidakten. Und Autodidakten waren es auch tatsächlich, die in jenen Jahren als Pioniere des Fotojournalismus bekannt wurden. Auch Fritz Block, der zunächst gar nicht zu Erwerbszwecken fotografierte, konnte seine Bilder schon bald an die Presse verkaufen, was er in Zeiten der Weltwirtschaftskrise und einer rückgängigen Bautätigkeit zunehmend tat.
Ganz offensichtlich kannte er die Aufnahmen bekannter Zeitgenossen wie Albert Renger Patzsch, an dessen neusachlicher Sicht der Dinge sich Block ebenso orientierte wie am experimentellen Neuen Sehen des Bauhauskünstlers László Moholy-Nagy. Gerade an den frühen Aufnahmen ist das deutlich zu beobachten. Die Fassade des Deutschlandhauses kommt dann steil von unten nach oben gesehen ins Bild, während das Treppenhaus aus der Vogelperspektive in die Tiefe stürzt. Auch bei der neuen Elbbrücke ist Block ganz nah an Moholy-Nagy und dessen Fasziniertsein vom Schattenspiel industrieller Stahlkonstruktionen. Die im selben Jahr 1929 im neusachlichen Duktus aufgenommene Serie mit Getreidehebern bzw. Halbportalkränen schaut dann fast schon wie eine Becher-Fotografie avant la lettre aus.
Ganz wunderbar ist die 1930 entstandene Aufnahme der „Mittagspause auf der Werft Blohm & Voss“, weil sie – einmal mehr aus der Vogelperspektive aufgenommen – nicht die Idylle eines gerade pausierenden, sonst aber hart arbeitenden Malocherkollektivs zeigt, sondern ein überschaubares Gewimmel kleiner Figuren, die alle vereinzelt über das Fabrikgelände irren. Dabei traute sich Fritz Block durchaus an die Menschen ran. Ob es die Fischer am Fischmarkt sind oder die fein herausgeputzten bürgerlichen Kinder im Zirkus Hagenbeck: Block bannt die Anspannung der einen ebenso prägnant auf den Film wie die Freude der anderen.
Frühe Street Photography
Sein Erfolg als Fotograf erlaubte es ihm dann in den 1930er Jahren, zu reisen. Zunächst nach Paris und Marseille, wo er den Eiffelturm à la Germaine Krull fotografiert, wo ihm aber auch ganz eigene Aufnahmen gelingen wie die von der über zwei Stühle hinweg ausgebreiteten Studentin im Jardin du Luxembourg. 1931 bereist er dann die USA, wobei 4.000 Aufnahmen entstehen, von denen nun rund 20 in der Auguststraße zu sehen sind, darunter veritable frühe Street Photography.
Eine 1938 unternommene Schiffskreuzfahrt dient der Sondierung möglicher Exilorte. Im gleichen Jahr konnten Fritz Block und seine Frau in die USA immigrieren, unter Mitnahme seiner Bibliothek und seines Fotoarchivs. In Los Angeles macht er die Fotografie endgültig zu seinem Beruf, fotografiert aber gerade hier viel neue Architektur, ganz seiner Maßgabe entsprechend, dass es Funktion der Fotografie sei, die Moderne der Öffentlichkeit zu vermitteln.
Bis 10. 9., Alfred Ehrhardt Stiftung, Auguststr. 75, Di.–So. 11–18 Uhr; Führung mit Kurator Roland Jaeger: 20. 8., 14 Uhr
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