Wie findet eine Außerirdische zu sich selbst?

Weltraum Wunderbar spacige Musik: „Soft Sounds from Another Planet“ von US-Indiemusikerin Michelle Zauner alias Japanese Breakfast

Erzählt von der Liebe zu Robotern: Japanese Breakfast Foto: Ebru Yildiz

Manchmal kann ein einziger Vorfall das ganze Leben verändern, und dort, wo wir vorher noch Schutz und Halt fanden, klafft plötzlich ein großes Loch. Das musste auch Michelle Zauner am eigenen Leib erfahren. Als vor gut zwei Jahren bei ihrer Mutter Krebs diagnostiziert wurde, verließ die 20-Jährige sofort ihre Wahlheimat Philadelphia und zog zurück in ihr Elternhaus nach Eugene, Oregon, an die US-Westküste. Die Angst davor, einen der wichtigsten Menschen in ihrem Leben zu verlieren, zwang sie dazu, ihr neugewonnenes unabhängiges Leben mit ihrer Band Little Big League zurückzulassen. Sie begann, sich unmittelbar mit dem Tod auseinanderzusetzen.

Während dieser Zeit und etwas später, nachdem ihre Mutter gestorben war, nutzte Zauner das Einzige, was ihr Trost zu spenden versprach: Musik. 2016 veröffentlichte sie unter dem Alias Japanese Breakfast ihr Debütalbum „Psychopomp“. Musik, durch die sich ihre Trauer zieht. Kreiert hatte sie einen wattig-wabernden Dunstkreis, umschlossen von einer dichten Wand aus halligen Gitarren. Es ist genau dieser lähmende Zustand, von dem sich Japanese Breakfast jetzt auf ihrem zweiten Album gelöst hat und ihn ins Schwerelose übersetzt.

Drei Minuten Luft anhalten

Unter dem Titel „Soft Sounds from Another Planet“ findet das Trauma sein abstraktes Nachspiel. Das Weltall wird folglich zur Bühne des Geschehens. Ein loses Science-Fiction-Konzept, das davon handelt, wie es ist, wenn man sich fremd fühlt und den Kontakt zur Außenwelt verloren hat. Wie findet eine Außerirdische wieder zu sich, wie zu den anderen?

Synthesizer wirbeln auf in dem eröffnenden Stück „Diving Woman“, ein Track über die Taucherfrauen von Jeju-Do, einer südkoreanischen Insel. Ohne jegliche Hilfsmittel, allein mit der Kraft ihrer Lungen, tauchen diese Frauen nach raren Meeresfrüchten. Ihren Atem halten sie währenddessen mehr als drei Minuten lang an. „I want it all“, säuselt Zauner über eine Gitarrenmelodie, die endlos zu sein scheint. „I want it all“ – abtauchen, tiefer gehen, nicht aufgeben, durchhalten. Und so tauchen auch wir mit ihr ab in einen Kosmos aus verklärten Dream-Pop-Sounds und treibenden Beats.

Zauners Hang zu Science-Fiction wird nicht nur in den sphärischen Klängen offenbar, sondern auch in der Thematik ihrer Songs. „Road Head“ beispielsweise handelt von einer Liebesbeziehung zu einer Art dämonischem Alien, während die Single „Machinist“ eine Frau beschreibt, die sich in einen Roboter verliebt. Verstärkt werden diese futuristischen Geschichten durch den Einsatz von umgekehrten Loops, 808-Drum-Machine und Spoken Word. Über den schwelenden Synthesizern singt Zauner mit fast schon gefühlvollem Auto-Tune. Ein Saxofon-Solo rundet die Reise in den flirrenden Pop aus den Neunzigern ab: nostalgisch, glitzernd und mitreißend.

Die im südkoreanischen Seoul geborene und in Oregon aufgewachsene Musikerin begibt sich damit musikalisch auf neues Terrain. Unterstützt wurde sie dabei vom Produzenten Craig Hendrix, der auch in ihrer Band spielt. An Tiefe gewinnen die zwölf Tracks auf dem Album besonders durch ihre Symbolhaftigkeit. Japanese Breakfast knüpft darin an ihre eigene Geschichte an, bekämpft den Dämonen als traumatische Erinnerung, verweigert sich der Maschine, zu der sie geworden ist, während sie sich um ihre todkranke Mutter kümmerte. Der Tod ist folglich auch auf dem zweiten Album von Japanese Breakfast omnipräsent, am direktesten manifestiert in dem Song „Till Death“, einer Ode an Zauners Ehemann, der ihr in jener Phase tapfer zur Seite stand.

„Soft Sounds from Another Planet“ knüpft somit nahtlos an das Debüt der US-Künstlerin an, steht darüber hinaus für einen Entwicklungsprozess. Der Ausflug ins verträumte Auto-Tune-All hat Japanese Breakfast paradoxerweise für das Leben auf Erden gestärkt. „Soft Sounds from Another Planet“ ist ein so versponnenes wie faszinierendes Album, das, trotz einiger Strecken, mit seiner Symbiose aus entrückten Space-Pop-Experimenten und emotionaler Aufrichtigkeit überzeugt.

Vanessa Wohlrath

Japanese Breakfast: „Soft Sounds from Another Planet“ (Dead Oceans/Cargo); auf Tour im Oktober