: Ein Ausscheiden und die Ratlosigkeit
EM Nach dem völlig überraschenden 1:2-Aus der Deutschen gegen Dänemark hat Trainerin Jones wenig Erklärungen, setzt aber weiter auf Angriff
aus Rotterdam Johannes Kopp
So ratlos hat man Steffi Jones, eine der leidenschaftlichsten Vertreterinnen des positiven Denkens, womöglich noch nie gesehen. Als die etwa sechste Nachfrage nach den Ursachen für das Ausscheiden des großen Turnierfavoriten im Raum stand, der zuvor sechs Mal Europameister wurde und noch nie so früh rausflog, seufzte sie und sagte: „Ja, hmm, ist schwer.“ Die Fitness habe gestimmt. Zumindest, wenn es nach vorne ging. Warum ihre Spielerinnen den Rückwärtsgang nicht so beherzt antreten konnten, war ihr ein Rätsel. „Die Däninnen haben den größeren Siegeswillen gezeigt.“
All die Vorwürfe, die bereits in der mäßig überzeugenden Vorrunde anklangen, wollte sie nach der überraschenden 1:2-Niederlage gegen Dänemark nicht gelten lassen. Sie wollte auch nicht über fehlende Abstimmung im offensiveren taktischen System klagen. „Wir haben ja die Fehlpässe unbedrängt gespielt. Das ist eine reine Kopfsache.“
Das Hin und Her am Vortag, als die angesetzte Viertelfinalpartie wegen der sintflutartigen Regenfälle abgesagt werden musste, wollte die Bundestrainerin nicht als Alibi für sich verwenden. Dänemark, sagte sie, habe die gleichen Bedingungen gehabt.
Solch deutlich formulierte Teamkritik hat man von Jones während dieses Turniers noch nicht vernehmen können. Über ähnliches Versagen sah sie in der Vorrunde großzügig hinweg, in ihrem unerschütterlichem Glauben, die Dinge würden sich noch positiv entwickeln. Ein wenig fühlte man sich da an ihre kritikresistente Vorgängerin Silvia Neid erinnert. Doch am Sonntag offenbarte Jones, dass ihr all das durchaus nicht entgangen war.
Was ihr in der Partie gegen Dänemark besonders missfiel, war, dass man einen krassen Patzer der Torhüterin Petersen nicht für sich nutzen konnte. „Leute, wir führen 1:0 und ihr spielt so unsicher“, habe sie ihren Spielerinnen in der Halbzeitpause gesagt. Während das Team zwar durchaus gelungene Spielzüge nach vorne kreierte, wurden die Lücken in der Abwehr immer größer. Besonders kurios war der Ausgleichstreffer der Däninnen. In der 49. Minute hob die Linienrichterin die Fahne, um ein Foul anzuzeigen, weshalb Kerschowski und Dzsenifer Marozsan ihre Gegenspielerin Stine Larsen ziehen ließen, obwohl die Schiedsrichterin gar nicht gepfiffen hatte. Von diesem Moment an geriet die DFB-Defenisve von einer Verlegenheit in die nächste. Der zweite Treffer von Theresa Nielsen (83.) überraschte kaum. Dass er wieder über die rechte Seite fiel, wieder durch eine unbedrängte Flanke und einen Kopfball, illustrierte die geringe Lernfähigkeit der deutschen Abwehr.
Steffi Jones hatte vor der EM betont, das Turnier käme eigentlich zu früh. Das wollte sie aber in Rotterdam nicht als Entschuldigung für das frühe Ausscheiden gelten lassen. Den Prozess, den sie habe anstoßen wollen, offensiver zu spielen, wolle sie weiterhin als Bundestrainerin verfolgen. „Die Erfahrung ist bitter, aber auch wichtig. Man wächst daran.“ Das war sie wieder, die Steffi Jones, wie man sie kennt.
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