Berliner Szenen: Ohne Krücken
33 Handgranaten
Fup hat seine Krücken weggeworfen und geht. Wie in der Bibel. Allerdings mit Fußschiene. Nachdem er im Hort schreiben musste: „Ich darf nicht mit meiner Krücke schießen!“, bin ich froh drum. Sicherheitshalber gehen wir noch einmal zum Arzt. Als der die Schiene abnimmt, um den Knöchel zu betrachten, rieselt Sand auf die Behandlungsliege. Fup grinst verlegen.
„Na, heute im Sandkasten gespielt?“, fragt der Arzt. Fup nickt. Dann drückt der Arzt auf die blau verfärbte Stelle und fragt, ob es wehtut. „Bisschen“, sagt Fup. „Ach, das ist nur wegen der Schiene, die da gedrückt hat“, sagt der Arzt. „Die können wir weglassen“, fügt er hinzu. Wir? Ich hab doch gar keine. Ich frage noch, ob Fup jetzt wieder Fußball spielen könne. „Na ja, vielleicht noch eine Woche warten“, sagt der Arzt. Die Schiene dürfen wir als Andenken mitnehmen.
Auf der Fahrt nach Hause singt Fup ein neues Lied, das er in der Schule gelernt hat: „33 Handgranaten flogen über’n Kindergarten, alle Kinder duckten sich, aber die Erwachsnen nicht. Eine hab ich aufgefangen, bin ich in die Luft gegangen.“ Ist das nicht etwas kriegsverharmlosend?, frage ich mich, und wie nehmen das wohl die Flüchtlingskinder aus Syrien auf. Dazu allerdings müsste man denen das Gedicht vermutlich erst mal übersetzen. Und zwar gereimt. Dürfte nicht ganz einfach sein. Na ja, denke ich weiter, wenigstens nicht so nervig wie Old McDonald has a farm, hijahijaho, das Fup sonst immer so hingebungsvoll falsch singt.
Zu Hause schnappt sich Fup die Fußballschuhe und zieht sie an. „Wohin willst du?“, frage ich ihn. „Na, Fußball spielen“, sagt Fup. „Du musst mitkommen.“ – „Aber du musst vorsichtig sein“, sage ich und ziehe ebenfalls meine Turnschuhe an. „Jaja“, sagt Fup und hüpft einbeinig zum Spielplatz. Dort aber ist der Knöchel wundersamerweise genesen. Klaus Bittermann
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