Susanne Messmer wundert sich nicht, dass Dichter nach wie vor arm sind: Die Kunst geht nach Brot
Viele kennen das Bild: Ein Mann sitzt mit der weißen Schlafmütze auf dem Kopf und der Schreibfeder im Mund auf einer abgeschabten Matratze mit schäbiger Decke und Notizen auf den Knien. Ein aufgespannter Regenschirm über dem Bett deutet darauf hin, dass der arme Mann mit einer Dachkammer vorliebnehmen muss, die nicht nur schlecht beheizt ist, sondern in die es auch reinregnet.
Es hat sich nicht viel an der ökonomischen Situation der Dichter geändert, seit Carl Spitzweg 1839 sein Bild „Der arme Poet“ malte und Heinrich Heines Onkel Salomon zu dem Neffen sagte: „Hätten gelernt machen Geschäfte, hätten nicht brauchen schreiben Gedichte“. Dies zeigt jedenfalls eineUmfrage, die das Haus für Poesie kürzlich in Auftrag gegeben hat – jene Institution also, die nicht nur das an diesem Freitag beginnende Poesiefestival ausrichtet, sondern auch den Literaturwettbewerb open mike.
Den Dichtern geht es schlecht, das geht aus der Umfrage hervor. Und weil es wenigstens Mindesthonorare für Lesungen geben müsste, wird das Haus für Poesie am 1. Juli einen Forderungskatalog an die Politik veröffentlichen. 200 Dichterinnen und Dichter haben einen Fragebogen des Hauses für Poesie erhalten, 114 haben ihn ausgefüllt. Danach leben drei Viertel der Befragten mit einem Jahresbruttoeinkommen unter dem Bundesdurchschnitt. Für 77 Prozent liegen die Einnahmen aus der Lyrik jährlich bei 10.000 Euro oder weniger. Das ist deutlich unter der offiziellen Armutsgrenze, also unter 11.759 Euro im Jahr.
Trommeln für mehr Geld
Es wurde also Zeit, auf sich aufmerksam zu machen. In anderen Ressorts wie der freien Szene trommelt man nicht ganz erfolglos schon seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen – sei es für mehr Geld, sei es für größere Transparenz von Jury-Entscheidungen, eine neue Förderpolitik oder bevorzugte kulturelle Nutzung von Liegenschaften.
Das Haus für Poesie fordert nun gemeinsam mit zahlreichen Literaturveranstaltern, Wissenschaftlern und Lyrikern aus ganz Deutschland angemessene Honorare für die armen Dichter, den Ausbau von Preisen und Stipendien oder auch eine nachhaltige Verbesserung der Präsenz und Vermittlung an Schulen und Hochschulen.
Nun kann man natürlich darüber streiten, ob es wirklich so produktiv wäre, wenn man ausgerechnet mit Dichtung wahnsinnig viel Geld verdienen würde. Aber unter der Armutsgrenze?
Wie soll das überhaupt gehen bei einer Kunstform, die allein schon bei ihrer Rezeption mehr Muße und Konzentration verlangt als jede andere, ganz zu schweigen bei ihrer Produktion? Dichter brauchen freie Köpfe – wenigstens freiere als bisher.
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