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Drei Heiratende und ein Todesfall

JaSager Drei Männer bilden die erste offiziell anerkannte polyamoröse Familie Kolumbiens. Auslöser für den Gang vor das Standesamt war der Tod des Vierten im Bunde und ein Streit um Rentenansprüche

von Jürgen Vogt

BUENOS AIRES taz | Alejandro Rodríguez, Víctor Hugo Prada und Manuel Bermúdez haben sich getraut. Die drei Männer sind die erste amtlich eingetragene „familia poliamorosa“ – eine polyamoröse Familie – Kolumbiens. Wie am Montag durch lokale Medienberichte bekannt wurde, haben sich die drei am 3. Juni auf dem Standesamt der Millionenstadt Medellín das Ja-Wort gegeben. Seither sind sie auch offiziell eine „treija“, ein Dreierpaar. Diese in Kolumbien alles andere als abwertend bezeichnete Lebensgemeinschaft dreier Personen ist eine Wortschöpfung aus pareja (Paar) und tres (drei).

„Alles ging plötzlich so schnell, nicht mal zwei Wochen hat das Ganze gedauert“, ist Manuel Bermúdez noch immer überrascht, dass die Anerkennung so problemlos lief.

Nach Artikel 42 der kolumbianischen Verfassung sind sie eine Familie. Dort heißt es, dass sich eine Familie durch die freie Entscheidung von Mann und Frau, eine Ehe einzugehen, bildet oder durch den verbindlichen Willen, diese zu bilden. Letzteres öffnete für die drei die rechtliche Tür zur offiziellen Bildung einer polyamorösen Gemeinschaft.

Drei sind keiner zu viel

Fiktion: In der Kultur sind Dreierbündnisse schon seit Jahrzehnten Thema.

Klassiker 1: In „Die fetten Jahre sind vorbei“ entführen drei junge BerlinerInnen einen Industriellen – und landen auf einer Insel und zusammen im Bett.

Klassiker 2: In „Serenade zu dritt“ erzählte Ernst Lubitsch schon 1933 von einer Dreiecksbeziehung.

Klassiker 3: In „Jules und Jim“ verfilmte der Regisseur François Truffaut den 1953 erschienenen Roman von Henri-Pierre Roché, der wiederum auf seiner eigenen Dreiecksgeschichte mit dem Ehepaar Helen und Franz Hessel beruhte.

Obwohl derartige Dreierbeziehungen in Kolumbien keine Seltenheit sind, sei es der erste offiziell anerkannte Bund dieser Art, sagte der Anwalt des kolumbianischen Verbands der Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- und Intersexuellen, German Rincon Perfetti.

Ursprünglich war die polyamoröse Familie sogar ein Quartett. Manuel Bermúdez, der sein Alter nicht nennen will, ist Journalist, Alejandro Rodriguez ist 36 und Sportlehrer. Bereits seit 18 Jahren sind sie Lebensgefährten. Vor zehn Jahren kam Álex Esneider dazu. Der 22-jährige Víctor Hugo, der als Schauspieler arbeitet, ist seit vier Jahren dabei.

„Alex ist vor drei Jahren gestorben“, erzählt Bermúdez. Der Lebensgefährte hatte Magenkrebs. Sein Tod gab den Ausschlag für die offizielle Legalisierung des Dreierbündnisses. Die Hinterbliebenen wollten vor Gericht einen Rentenanspruch erwirken. Den bekamen sie sogar.

Die Richterin in Medellín verpflichtete den Rentenfonds zur Zahlung einer Teilrente. Der Rentenanspruch wurde aber lediglich Alejandro Rodríguez und Manuel Bermúdez zugesprochen. Der Jüngste im Bunde ging leer aus, da er nicht die dafür notwendige Zeitspanne von fünf Jahren mit Alex zusammengelebt hatte. „Damit war für uns klar, dass wir ein amtliches Dokument brauchen, um eben diese rechtliche Situation abzusichern“, erklärt Manuel Bermúdez.

Mit der Eheschließung sei auch das Recht auf ein würdiges Sterben verbunden. „Das ist für uns ganz wesentlich, nach dem, was bei dem Tod von Álex Esneider passierte,“ so Manuel Bermúdez. „Aber vor allem ist es auch eine Botschaft an die Gesellschaft. Ganz egal ob eine Familie legal anerkannt ist oder nicht, wir sind keine Wohngemeinschaft von Freunden, denen es mal eben Spaß macht, zusammenzuleben. Wir sind eine Familie, und als solche wollen wir anerkannt sein“, sagt Bermúdez.

Er und Rodríguez hatten im Jahr 2000 als erstes homosexuelles Paar Kolumbiens den Bund fürs Leben geschlossen. Damals mussten sie in die Hauptstadt Bogotá reisen, da ihnen der Eintrag auf den Standesämtern von Medellín verweigert wurde.

Landesweit müssen die Ämter die Homoehe erst seit April 2016 anerkennen. Damals urteilten die obersten Verfassungsrichter, dass niemand den Antrag auf eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft ablehnen darf. Damit unterstrichen die obersten Richter zugleich ihre 2011 gefällte Entscheidung, dass die Zivilehen den Familien von Mann und Frau rechtlich gleichgestellt sind.

Der Journalist, der Sportlehrer und der Schauspieler leben in ihrem Haus im Medellíner Stadtviertel Robledo. „Hier fühlen wir uns wohl und anerkannt“, sagt Manuel Bermúdez und bestätigt zugleich, dass sie nicht im Verborgenen leben. In einer polyamorösen Gemeinschaft gebe es keinen, der bestimmt, alle seien gleich, hätten die gleichen Rechte und Pflichten, so Manuel. „Mehr noch, wenn sich zwei streiten, ist immer ein Dritter da, der schlichtet.“

Groß gefeiert wurde noch nicht, aber das soll nachgeholt werden. „Auf jeden Fall werden wir ein öffentliches Spektakel veranstalten, mit Tanz und Musik“, so Bermúdez. „Unsere Vereinbarung ist durch die Liebe verwoben, wörtlich heißt es in dem Dokument: Wir vereinen uns aus Gründen der Liebe.“

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