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Die neuen Wagner-Festspiele

Fußball Nach der Quali gegen San Marino ist vor dem Confed Cup. Mittendrin statt nur dabei: der Mittelstürmer von der TSG Hoffenheim, Sandro Wagner

Aus der Spielfreude und Zielstrebigkeit der nachrückenden Garde beim WM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen San Marino (7:0) stach eine hünenhafte Gestalt mit Kinnbart besonders heraus: Sandro Wagner. „Es hat Spaß gemacht, es war ein schöner Abend. Jeder hat erwartet, dass man ein Tor schießt gegen einen solchen Gegner.“ Dem 29-Jährigen sind dann sogar drei Treffer in seinem zweiten Länderspiel gelungen: Zweimal wuchtete er die Kugel per Kopf über die Linie (11. und 85.), einmal im Grätschschritt (29.) – passend für einen zielstrebigen Typ wie ihn: „Ich kann schon einschätzen, dass das nicht England oder Italien war.“

Gleichwohl: Im reiferen Alter paaren sich bei dem Hünen von der TSG Hoffenheim Selbstbewusstsein, Meinungsstärke und Treffsicherheit; und ergeben ein stimmiges Bild eines Profis mit Polarisierungsfaktor, der laut Joa­chim Löw in der DFB-Auswahl „eine andere Note einbringt“.

Mit seiner direkten Art auf und außerhalb des Platzes entwickelt sich die markante Figur womöglich unter vielen glatt gebügelten Stars zu einer wichtigen Marke, die der Bundestrainer wertschätzen lernt.Der gebürtige Münchner erfährt gerade die beste Phase einer Zickzackkarriere. Rauf und runter – und vielleicht im nächsten Sommer sogar auf der WM-Bühne? Löw wollte sich trotz des Lobes bezüglich einer Nominierung von zwei klassischen Mittelstürmern für 2018 noch nicht festlegen. Auch wenn die EM 2016 in Frankreich gelehrt hat, dass es mindestens eine Alternative auf dieser Position braucht. Als Mario Gómez zum Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich passen musste, fehlte der Spielertypus.

Fakt aber ist: „Sandro Wagner hat in dieser Woche einen großen Schritt nach vorne gemacht.“ Nun muss er beim Confed Cup (17. Juni bis 2. Juli) einige Pluspunkte sammeln, um sich auch für Russland 2018 zu qualifizieren. Wäre eine rührige Geschichte, würde der U21-Europameister von 2009 aus der Neuer-Boateng-Hummels-Khedira-Özil-Generation fast ein Jahrzehnt später für die Mission WM-Titelverteidigung das DFB-Dress tragen.

Das Trikot vom Samstagabend verstaute der Torjäger wie schon in Kopenhagen wohlbehütet in seiner Tasche. „Es gibt eine lange Warteliste.“ Expliziten Dank richtete der Spätzünder an Flankengeber Kimmich, „da kann sich der Lewandowski nächstes Jahr echt freuen – da macht er hundert Prozent noch zehn Tore mehr“. Aber den Wagner will bei der Nationalelf vorerst auch niemand missen. „Er gibt dem Spiel etwas, was wir sonst nicht so genutzt haben“, sagte der junge Kapitän Draxler.

Trotz seiner 1,94 Meter und 90 Kilo ist er auch viel mehr als nur eine Horst-Hrubesch-Kopie. Hohn und Spott, die ihn auf seinen frühen Stationen begleiteten, sind Anerkennung und Respekt gewichen, weil er sich vor zwei Jahren auf das Auffangbecken SV Darmstadt 98 eingelassen hat und dann bei der TSG Hoffenheim mit fast 30 noch einmal neu erfunden hat.

Er kann Bälle behaupten, festmachen, weiterleiten – und arbeitet verlässlich in der Defensive mit. Wagner hat vom jungen Förderer Julian Nagelsmann profitiert, der genauso alt ist wie er selbst. Der Bundestrainer hofft, dass Wagner dort direkt auf die nächste Stufe gelangt. „Er spielt ja mit Hoffenheim möglicherweise in der Champions League. Das wäre für ihn persönlich gut.“

Und es hätte doch was, kämen die Wagner-Festspiele sogar zur unverhofften Aufführung in Russland 2018. Frank Hellmann

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