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Die Soundwand steht noch

Rock Wiedersehen im Kesselhaus: Die US-amerikanische Band Afghan Whigs spielte am Mittwoch in der Kulturbrauerei

von René Hamann

Es war ein sehr seltsamer Moment in der Geschichte des Pop, als sich dörfliche Rockkultur und eine neue Jugendbewegung, das Slackertum, vereinten. Eine Welt aus Flanell. Poolbillard, langatmige Gitarrensoli, Kiffen, Kinnbärte, lange Haare, Gammeln, für eine kurze Periode war all das nicht nur plötzlich wieder möglich, sondern schwer angesagt, und nur, weil sich in Seattle, Washington, ein Label etabliert hatte, das nach neuen Ansätzen für den schwer angeschlagenen Rock suchte und vor der eigenen Haustür findig wurde: Der Grunge war geboren, und das Haus SubPop machte ihn populär.

Eine dieser Grungebands waren die Afghan Whigs, deren zweite LP „Up in It“ 1990 auf SubPop erschien. Sie waren die erste Band, die nicht aus Seattle stammte – sondern aus Cincinnati. Das liegt irgendwo im Westen, in Ohio. Als der ganz große Ausverkauf begann, waren auch sie dabei, konnten aber nicht so abräumen wie Pearl Jam oder Nirvana; und ihr rockistischer Ansatz war zu schwarz, als dass sie mit Bands der zweiten Welle wie den Stone Temple Pilots mithalten konnten. In der Folge gab es das Album „Gentlemen“ (1993) mitsamt zwei sehr guten Singles, und danach begann die Verwaltung: Grunge entwickelte sich nicht, und wenn, dann in eine trübe Schmockrock-Ecke. Und man kann nicht sagen, dass die Mannen um Greg Dulli davon gänzlich unbeleckt waren.

Jetzt schreiben wir das Jahr 2017, auf dem Innenhof der Kulturbrauerei steht ein Supersleeper-Tourbus „for hire“, das Kesselhaus ist nicht voll, aber gut gefüllt, und am Merchandising-Stand gibt es neben T-Shirts und Platten auch die Trucker-Cap für schlappe 20 Ocken. Die Band, die sich unterdessen zweimal aufgelöst und wiedervereint hat, pflegt eine Phobie vor Blitzlichtgewittern und huldigt wie damals dem Soundbrei aus Prinzip, während im Publikum der Langhaarquotient bei den Männern ab-, der Quotient für die Kombi Jeans und schwarzes Hemd zugenommen hat. Flanellhemden sucht man sogar vergeblich.

Und Greg Dulli, der sich schon 1993 die Haare abschneiden ließ, ist immer noch eine Rampensau, die allerdings mittlerweile an einen coolen Familienvater denken lässt, an Schweinekotelett und große Biere, an James Belushi in „Immer wieder Jim“, nur ohne die Blues-Mundharmonika. Ein ehemals furchterregend gut aussehender Mann, der unversehens ins gemütliche Alter geraten ist. Was natürlich auch tröstlich ist

Die alten Rockergesten

Gut bei Stimme ist er noch – und schreit sich durch ein Set, das neue mit alten Stücken mischt, wobei die Unterschiede nicht immer klar werden. Gut, „Gentleman“ erkennt man noch auf zweihundert Metern Entfernung, der Rest bleibt sich im Wesentlichen gleich: Eine Rockmusik, die auf Soundwände setzt (teilweise stehen vier Gitarristen auf der Bühne, und das, obwohl Rick McCollum die Tour abbrechen musste), manchmal leicht verregnet daher kommt und irgendwie Beziehungsprobleme verhandelt, ohne wesentlich zu werden. Oder irgendwas mit Alkohol oder Drogen.

„Do the Beast“ (2014) und „In Spades“ (2017) heißen denn auch die neuen Platten, die fast schon ironischerweise wieder bei SubPop erscheinen. Die Verstärker sind mit Artwork-Abzügen voller Pyramiden in Schwarz-Weiß beklebt, und die sechsköpfige Männerband lässt, so viel Stimmung muss sein, keine dieser alten Gesten aus: die Aufforderung zum Mitklatschen, das sich Annähern der Gitarristen bei Solostrecken – et cetera. Die Musik wirkt dabei wie ein Tattoo: ausgeblichen, vorgeblich hart, eine Verzierung der Oberfläche, die wild sein will und auf nicht viel mehr verweist als auf sich selbst.

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