: Rüttgers leistet sich weniger Beauftragte
Die Landesregierung trennt sich von den meisten Landesbeauftragten. Nur bei Datenschutz, Integration und Behinderten geht es für die Fachexperten weiter. Für die Grüne Sylvia Löhrmann ist das „nicht durchdacht“
KÖLN taz ■ Auftrag ausgeführt: Mit einem Federstrich hat Ministerpräsident Rüttgers (CDU) gestern die meisten Landesbeauftragen abgeschafft. Auf der Streichliste: die Beauftragten für Mittelstand und „Eine Welt“. Erhalten bleiben nur die Landesexperten für Integration, für Datenschutz und für Behinderte. Zum neuen Integrationsbeauftragten wurde der Essener CDU-Politiker Thomas Kufen berufen.
Christdemokraten und FDP hatten im Wahlkampf dem „ausufernden Beauftragtenwesen“ den Kampf angesagt. „Nach eingehender Prüfung“, heißt es nun aus Düsseldorf, seien die eigens bestellten Landesbeamten „in den meisten Fällen entbehrlich“. Öffentliche Aufgaben sollten „grundsätzlich durch die zuständigen Behörden und nicht durch zusätzliche Beauftragte“ erledigt werden. Künftig wird das Land etwa auf einen eigenen Kinderbeauftragten verzichten. Die Landesforstbehörde muss ohne Gender-Beauftragte zurecht kommen. Auch für die Reform des öffentlichen Dienstrechts wird niemand mehr eigens beschäftigt.
„Nicht richtig durchdacht“ seien solche Sparmaßnahmen, kritisiert Grünen-Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann. Gerade von der Eine-Welt-Beauftragten seien wichtige Impulse ausgegangen. „In NRW wird viel Eine-Welt-Arbeit gemacht. Viele Kommunen engagieren sich. Wir haben da eine internationale Verantwortung.“ Auch die Abschaffung der Beauftragten für Mittelstand und Kinder sei „das falsche Signal“. Weniger kritisch sieht Löhrmann hingegen den Verzicht auf die Russland- und Benelux-Beauftragten, die die Hochschulbeziehungen pflegen und fördern sollen: „Man kann sich natürlich fragen, ob nicht die Staatskanzlei internationale Kontakte abwickeln kann.“
Durch die Abschaffung der Eine-Welt-Beauftragten würden vor allem Nichtregierungsorganisationen (NGOs) geschwächt, die sich entwicklungspolitisch engagieren, kritisiert Tina Jerman, die letzte Eine-Welt-Beauftragte. Ihren Posten hatte sie bis zum Amtsantritt der neuen CDU/FDP-Landesregierung inne. „Für NGOs gibt es jetzt keinen Ansprechpartner mehr“, befürchtet Jerman.
Als Beauftragte hatte sie unter anderem die „Clean Clothes“-Kampagne unterstützt und sich dafür eingesetzt, dass in den Kommunen, zum Beispiel bei der Polizei, im Rathaus oder Krankenhaus, „faire“ Dienstkleidung angeschafft wird – also Kleidung, die unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen produziert wurde. Städte wie Düsseldorf und Bonn hätten bereits Interesse gezeigt, berichtet Jerman. „Solche Prozesse müssten eigentlich weitergeführt werden“, findet sie. Das könne nur das Land. „Damit ist eine einzelne Kommune überfordert.“
Nicht alle Beauftragten auf Rüttgers‘ Streichliste werden übrigens tatsächlich abgeschafft: Wie die taz erfuhr, verschwinden etwa die Beauftragten für Schulsport und für die Qualitätsagentur NRW nur dem Namen nach. Auch die Kraftfahrzeugbeauftragten bei den Oberfinanzdirektionen und die Islambeauftragten bei den Kreispolizeibehörden arbeiten weiter. Letztere wurden erst 2004 vom damaligen Innenminister Fritz Behrens (SPD) eingeführt. Sie sollten als Ansprechpartner für muslimische Bürger dienen und außerdem ihre Kollegen über den Islam und den Islamismus informieren. Künftig arbeiten sie unter Bezeichnung „Kontaktbeamte für muslimische Institutionen“. Ihre Arbeit wird im Innenministerium als „erfolgreiches Modell“ und „wichtig für die Integration“ bewertet, so ein Sprecher. Bis 2006 sollen es bei allen Polizeibehörden solche Kontaktbeamte geben. DIRK ECKERT