Die Liste:
Die Christen kommen nach Berlin. Drei taz-Redakteure verraten ihre Verstecke.
1. Da will jemand also sicher sein, dass die Kirchentagseuphorie nicht über sie/ihn kommt. Bloß keine Hymnen, Taizé-Gesänge, kein Gotteslob soll sein/ihr Ohr streifen, was verständlich ist, denn die Frage nach Gott ist eine leise, so ein Kirchentag aber eine laute Sache, ein Großer-Gott-wir-loben-dich-Getöse. Was gebraucht wird: Ein Ort, der das alles übertönt. Das kann nur die Einflugschneise von Tegel sein. Dort, am Kurt-Schumacher-Platz, ist die Eisdiele Piazzetta. Wer da sitzt, erlebt, wie sich das Denken im Hören auflöst, wie sich das Gehör, nunmehr den anfliegenden oder den abfliegenden Flugzeugen überlassen, defragmentiert, kein Satz wird zu Ende geredet, zu Ende gedacht, was hast du gesagt, Du, Gott, Air Berlin, Skywork, Airbus, Lufthansa, Boeing? Tscheeechaaarrrooooouukrrruuuuuuummmmmmm. Der Schalldruck das Wasser im Glas zum Vibrieren. Aber das Auge bleibt davon verschont, sieht am Horizont der Fernsehturm. Und das Pistazieneis so lecker. Waltraud Schwab
2. Am Hermannplatz gibt es einen Trumm, der, wenn man ihn beseitigte, den ganzen Kiez mit sich hinab in den Abgrund risse: Karstadt Hermannplatz, erbaut Ende der zwanziger Jahre, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs zerstört und wieder aufgebaut. Noch immer faszinierend: Die Dachterrasse, die man als Gast des Restaurants (Frittiertes Formfleisch-Schnitzel mit Pommes, circa 10 Euro) nutzen kann. Von hier aus kann man über die Stadt blicken und ist – so weit oben und verschanzt hinter Rolltreppen und Aufzügen – in Sicherheit vor den Weltreligionen. Martin Reichert
3. In Alt-Tegel steht unter der S-Bahn-Fußgängerbrücke Ernststraße ein Ledersofa. Ich vermute, es wird von Trainspottern benutzt, um die S25 zu beobachten. Gerne will mich auf dieses Sofa setzen, um Trainspotter zu spotten. Alternativ bietet sich die A111-Lärmschutzwand an der Meteorstraße an. Auf der sitzen immer Flugzeugspotter. Die wollte ich mir schon lange anschauen. Ich verwette meine Seele darauf, dass die Spotter unter den Kirchentagsbesuchern nur andere Christen spotten und an beiden Orten nicht zu finden sind. Ingo Arzt
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen