: Wollt ihr ihn schwärzer?
Zu lange hat der Schauspieler Serdar Somuncu aus „Mein Kampf“ vorgelesen, jetzt versucht er, sich den Hitler wieder auszutreiben: Dafür gerät sein Programm „Hitler-Kebab“ im Kookaburra Comedy Club aber oft wenig trennscharf
Als Serdar Somuncu sich vorstellt, klingt das so: „Somuncu – das buchstabiert sich Siegfried, Otto, Marthe, Untergang, Nationalmannschaft …“ Das überwiegend deutsche Publikum im Saal lacht schallend. Somuncu ist zufrieden und grinst frech: Es kann losgehen.
Serdar Somuncu ist zu Gast im Kookaburra-Club. Angekündigt ist ein Doppelpack: Somuncu liest aus seinem neuem Buch „Getrennte Rechungen“ und gibt obendrauf noch sein Stand-up-Programm „Hitler-Kebap“. Mit der Vorleserei hat Somuncu es nicht so: Er liest zwei Kurzgeschichten über seinen ersten Schultag und seine erste Liebe und scheint dann froh, das Buch wieder zuklappen zu dürfen. „Hitler-Kebab“ ist dran.
Somuncu mit Kaya Yanar zu vergleichen ist wie Harald Schmidt mit Stefan Raab in eins werfen zu wollen. Somuncu ist sprachwitziger und provokanter als Yanar, multikultikompatible Witzeleien à la „Was guckst du?“ interessieren ihn nicht. Er träume von einem Kabarettabend, an dem alle das Theater sauer verlassen, hat er einmal gesagt. Und er tut einiges, damit es so kommt
Gnadenlos nutzt er die Narrenfreiheit aus, die ihm als deutsch-türkischem Comedian gewährt ist: In den letzten Jahren ist er nicht weniger als 1.428 Mal auf europäischen Bühnen aufgetreten und hat aus „Mein Kampf“ gelesen. Vom Feuilleton wurde er dafür gelobt, vom Publikum geliebt. Doch jetzt leidet der „Leitkulturgestählte“ nach eigener Auskunft an Persönlichkeitsspaltung: Der Hitler in ihm meldet sich immer wieder zu Wort.
So ist sein neues Programm „Hitler-Kebap“ in erster Linie eine zur Schau gestellte Selbsttherapie geworden – der Zähmungsversuch des gefährlichsten deutschen Dämonen durch seinen türkischen Beschwörer.
Somuncu stellt sich Hitler bei „Sabine Christiansen“ vor, erzählt, wie ihm der Schweizer Zoll für seine „Mein Kampf“-CDs 17 Franken extra berechnet. Und immer wieder brüllt er seine Sätze im Hitler-Stil in den Saal, wobei sein Hals schwillt und sein Gesicht rot anläuft. Wenn Hitler Pause hat, ist Goebbels dran: „Wollt ihr noch Zucker in den Kaffee? Wollt ihr ihn schwärzer und radikaler, als ihr ihn bisher gekannt habt?“
Hinter all dem steht eine Mission. Somuncu lässt den Hitler in sich auferstehen, um ihn sich und den Deutschen gleich mit ein für alle Mal auszutreiben. Leider fällt er häufiger aus dieser Rolle, als es dem Abend gut tut: Wenn der Gerade-noch-Hitler plötzlich als Oberlehrer die Deutschen vor den bösen Neonazis warnt, dann büßt die Satire einiges an Schärfe ein.
Und man gewinnt den Eindruck: Somuncu sitzt in der Falle. Von seinem Spezialgebiet „Ein Türke macht den Hitler“ kommt er nicht mehr los. Sein komödiantischer Pakt mit Hitler war ein Pakt mit dem Teufel. Es wundert deshalb nicht, dass Somuncu am Schluss ankündigt, dem Kabarett den Rücken kehren und in Zukunft als Musiker auftreten zu wollen. Hitler kann heute keine Karriereträume mehr erfüllen.MARTIN SCHNEIDER
Serdar Somuncu spielt heute Abend um 20.30 Uhr im Comedy-Club Kookaburra, Schönhauser Allee 184