piwik no script img

Schmerzliche Niederlage

Handball Im Rennen um die Meisterschaft ist eine Vorentscheidung gefallen: Die SG Flensburg/Handewitt verliert das Spitzenspiel gegen die Rhein Neckar Löwen. Johan Jakobsen spielt mit gebrochener Wurfhand

von David Joram

Von Berufs wegen muss Ljubomir Vranjes hin und wieder Bälle werfen. Er arbeitet nun mal als Trainer des Handball-Bundesligisten SG Flensburg/Handewitt und ist als solcher dafür verantwortlich, dass seine Spieler wissen, wie sie das am besten anstellen sollen. Seit November 2010 macht Vranjes ihnen das schon vor, durchaus mit Erfolg. Europacup der Pokalsieger 2012, Champions League 2014, DHB-Pokal 2015. Zum perfekten Glück fehlt Vranjes nur noch die deutsche Meisterschaft.

Das war die Ausgangslage vor dem Spitzenspiel zwischen Vranjes’zweitplatzierter SG Flensburg und Tabellenführer Rhein Neckar Löwen, dem Titelverteidiger. Die Meisterschaft, das ist auch jener Titel, der äußerst selten in der „Hölle Nord“ vorbeischaut. In 25 Flensburger Bundesliga-Jahren überhaupt erst einmal, 2004 war das. Vranjes bewegte seinen 1,66 Meter kleinen Körper damals noch selbst über den Hallenboden, allerdings in Nordhorn. Nach Flensburg wechselte er 2006, reüssierte dort erst als Spieler bis 2009, dann ein paar Monate als Teammanager – und schließlich als Trainer.

16 Jahre Handball-Bundesliga hat er insgesamt hinter sich, zwölf davon in Flensburg. Nur den ganz großen Wurf wird der schwedische Welt- und Europameister nicht mehr schaffen. Am Ende dieser Saison endet seine Zeit, weil er in der kommenden Saison den ungarischen Topklub KC Veszprém übernimmt.

Der Umzug dorthin dürfte ihm nach dem Spitzenspiel gegen die Rhein Neckar Löwen noch schwerer fallen als ohnehin schon. Mit 21:23 (11:13) unterlag die SG Flensburg/Handewitt den Löwen – weshalb sie an der dänischen Grenze bald ihre zwölfte Vizemeisterschaft betrauern dürfen. Dass die Löwen drei Spieltage vor dem Saisonende ihren Drei-Punkte-Vorsprung noch abgeben, glauben selbst die kühnsten Optimisten nicht. Dabei hatten die SG-Fans wirklich alles gegeben, um ihr Team auf Platz eins zu führen. Sie schrien sich heiser, standen bei nahezu jedem Angriff auf und verwandelten die „Hölle Nord“ in einen Backofen.

Doch schon früh sorgte einer für ganz viel Abkühlung. Gäste-Torwart Mikael Appel­gren tat sich als Spaßbremse hervor und parierte die teils schwachen SG-Versuche häufiger, als es den 6.300 Zuschauer in der ausverkauften Halle lieb war. Allein in der ersten Hälfte wehrte Appelgren neun Bälle ab. Zwar enttäuschte auch die Abwehr der Hausherren nicht, wegen mangelnder Offensivkraft musste die Vranjes-Sieben aber quasi über die gesamte Spielzeit einem Rückstand hinterherlaufen.

Kentin Mahés Tor zur einzigen SG-Führung (5:4/12. Minute) konterten die Löwen prompt. Patrick Groetzki holte per Gegenstoß sogar eine Drei-Tore-Führung heraus (6:9/20.). Dass die Badener, angetrieben vom umtriebigen Spielgestalter Alexander Petersson, zur Halbzeit mit 11:13 vorne lagen, war nur folgerichtig. Der zweite Durchgang begann denkbar ungünstig für die SG.

Die Flensburger Fans verwandelten die „Hölle Nord“ in einen Backofen

Jim Gottfridsson testete im ersten Versuch den Pfosten, einen weiteren Angriff parierte Appelgren gegen Rückraumspieler Johan Jakobsen, während auf der Gegenseite du Rietz zum 11:14 traf. Flensburg/Handewitt fand einfach kein probates Mittel. Weil aber auch Andersson im SG-Tor allmählich die richtige Temperatur erreichte und viermal hielt, blieb die SG trotz schwacher Angriffsbewegungen dran. Mahé glich gar aus (14:14/41.), die Halle kochte jetzt wieder.

Appelgren machte das nichts aus, er behielt die Ruhe weg, wehrte auch schier unhaltbare Bälle ab. Einen Kempa-Trick etwa, abgeschlossen durch Jakobsson, rettete er mit einem schnellen Fußreflex. Auf den Sitzen hielt es da schon längst keinen mehr. Jedes Tor war nun hart umkämpft, wobei die Gäste die Nase immer knapp vorne hatten. Dass Andersson nun genauso prächtig parierte wie Appelgren änderte daran nichts. Am konsequenten Löwen-Riegel verzweifelten Anders Eggert und Co. bis in die Schlussphase hinein.

Andy Schmid war es letztlich vorbehalten, den spielentscheidenden Treffer zum 23:21-Sieg der Löwen zu erzielen. Nach der Niederlage teilte der Verein mit, dassJakobsson seit drei Wochen mit gebrochener Wurfhand spielt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen