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Die sanfte Rebellin

Afro-Folk Die Sängerin Fatoumata Diawara ist durch Projekte mit anderen Künstlern und Kino-Rollen sehr präsent. Ein neues Solo-Album lässt aber noch auf sich warten

von Zonya Dengi

Zuletzt war Fatoumata Diawara in dem Film „Mali Blues“ in deutschen Kinos zu sehen. In der Musikdokumentation des Regisseurs Lutz Gregor stand sie im Zentrum. Der Film begleitet sie bei ihrer Rückkehr aus ihrer Wahlheimat Paris nach Mali und in ihr Heimatdorf. Den Höhepunkt des Filmes bildete ihr Auftritt beim „Festival sur le Niger“ in Ségou, für das eigens auf einem Ponton im Fluss eine Bühne errichtet wurde.

In seiner kulturellen Bedeutung ist das Festival am Niger inzwischen an die Stelle des legendären „Festival au désert“ getreten, das ein gutes Jahrzehnt lang Musikfans aus aller Welt in die Wüste um Timbuktu lockte, bevor der Vormarsch radikalislamistischer Milizen dem friedlichen Treiben im Jahr 2012 ein jähes Ende setzte.

Dass die Dschihadisten damals den Norden Malis im Handstreich erobern konnten, war für viele ein Schock. Erst der Einsatz der französischen Armee konnte die Besatzer im Januar 2013 zurückschlagen. Etwa zur gleichen Zeit trommelte Fatoumata Diawara 40 bekannte Musikerinnen und Musiker aus Mali in einem Studio in Bamako zusammen – darunter Größen wie die Sängerin Oumou Sangaré, das blinde Sängerpaar Amadou & Mariam und den ivorischen Reggae-Sänger Tiken Jah Fakoly – um eine gemeinsame Friedenshymne einzusingen. Der Song „Mali-Ko“ war ein leidenschaftlicher Appell, die ethnischen Spannungen zu überwinden und die Einheit des Landes zu bewahren.

Obwohl Fatoumata Diawara selbst nur einen relativ kurzen, aber prägenden Teil ihres Lebens in Mali verbracht hat, betrachtet sie das Land als ihre Heimat. Geboren wurde sie in der Elfenbeinküste, wo sie bereits als Kind in der Tanztruppe mitwirkte, die ihre Eltern in Abidjan leiteten. Als sie zwölf wurde, schickten ihre Eltern sie nach Bamako zu einer Tante, die Schauspielerin war. Dank ihr machte Fatoumata Diawara früh ihre ersten Schritte im Filmgeschäft und spielte mit 17 ihre erste Hauptrolle. Als sie 19 war, kam es zum Streit mit der Familie, weil ihre Eltern sie gegen ihren Willen mit einem Cousin verheiraten wollten, und so flüchtete sie 2002 Hals über Kopf nach Paris.

In Frankreich schlug sie sich zunächst mit Theater-Engagements durch und verbrachte mehrere Jahre mit der Straßentheater-Compagnie Royal de Luxe aus Nantes, die für ihre meterhohen Marionettenfiguren berühmt ist. Daneben brachte sie sich selbst das Gitarrenspiel bei und begann, eigene Songs zu schreiben. In ihren melancholisch-melodischen Balladen mischt sie Elemente aus Malis Wassoulou-Region mit Einflüssen aus Soul, Jazz und Folk so kunstvoll und organisch, dass es ihr Vergleiche mit der legendären Blues-Sängerin Billie Holiday einbrachte.

2011 erschien ihr Albumdebüt „Fatou“ auf dem renommierten britischen Label World Circuit, das schon den Buena Vista Social Club berühmt gemacht hatte. Es erhielt hervorragende Kritiken, und von da an nahm ihre Karriere rasant an Fahrt auf. Seither arbeitete sie mit Größen wie Herbie Hancock, Bobby Womack und Dee Dee Bridgewater, wirkte in Damon Albarns „African Express“-Projekt mit und nahm vor zwei Jahren ein Live-Album mit dem kubanischen Jazzpianisten Roberto Fonseca auf. In diesem Sommer wird sie wieder viel auf französischen Bühnen unterwegs sein – unter anderem mit dem Popstar Matthieu Chedid alias „M“, an dessen „Lamomali“-Album sie beteiligt war (siehe Spalte rechts). Fatoumara Diawara schätzt die Kollaborationen mit anderen Künstlern. Ein neues Solo-Album lässt indes auf sich warten – womöglich soll es aber noch in diesem Jahr erscheinen.

Immer wieder zieht es die Sängerin auch wieder zurück zur Leinwand. In Abderrahman Sissakos preisgekrönten Spielfilm „Timbuktu“, der 2014 beim Wettbewerb in Cannes lief, trat sie in einer Nebenrolle auf. In eindringlichen, elegisch schönen Bildern erzählt der Film vom Schreckensregime der Dschihadisten im Norden Malis, die Scharia-Schnellgerichte errichteten, die Frauen unter den Schleier zwangen und Sport und Musik verboten. Fatoumata Diawara spielt eine Sängerin, die ausgepeitscht wird, weil sie es wagte, sich ihren Regeln zu widersetzen.

Das unbeugsame Eintreten für die eigenen Überzeugungen zeichnet sie auch im richtigen Leben aus. Dass sie im Ausland lebt und von außen nach Mali kommt, erlaubt es ihr, bestimmte Dinge unverblümt anzusprechen und zu hinterfragen, wo sich andere malische Sänger traditionell lieber hinter Gleichnissen und Umschreibungen verstecken. In ihren Songs nimmt sie offen gegen Zwangsverheiratungen und Genitalbeschneidung Stellung, und in der Dokumentation „Mali Blues“ sieht man sie mit Frauen im Dorf über diese fragwürdige Tradition diskutieren. Zugleich ermahnt sie ihr afrikanisches Publikum, sich weder westlichen Moden noch islamistischen Kleidercodes zu unterwerfen, sondern stolz auf die afrikanische Herkunft zu sein.

„Ich erzähle von Dingen, die ich erlebt habe“, sagte sie einmal der FAZ. „Ich nutze die Musik als Medizin für mich selbst und möchte meine Erfahrungen teilen, weil es viele Frauen gibt, die mit den gleichen Problemen kämpfen, über die in Mali nie gesprochen wird.“ Für viele junge Frauen und Mädchen in Mali ist sie deswegen ein Vorbild geworden.

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