: Volkes Wille in Korrektur
CDU will neues Wahlrecht wieder ummodeln. Listenaufstellung der Parteien bleiben maßgeblich. Grüne Opposition kritisiert „Trickserei“, Verein „Mehr Demokratie“ sieht Volksentscheid ausgehebelt. Minimallösung bei Bezirksreform
von Kaija Kutter
Die CDU sorgte am Wochenende für Überraschung. So hat sie auf ihrer Klausurtagung am Wochenende nicht nur mit der Bezirksreform, sondern auch mit „Korrekturen“ am neuen Wahlrecht befasst, das die Initiative „Mehr Demokratie“ im Juni 2004 mit einem erfolgreichen Volksentscheid durchgesetzt hatte. Das Ergebnis ist ein Antrag für eine Wahlgesetzänderung, der am Dienstag im CDU-Landesausschuss zur Abstimmung steht.
„Wir sind bei der Philosophie des Volksentscheids geblieben“, sagte CDU-Landeschef Dirk Fischer, der die Pläne gestern zusammen mit Fraktionschef Bernd Reinert per Powerpoint-Präsentation vorstellte. Das Parlament habe aber das Recht zu Änderungen, wenn dies für die „Funktionalität“ nötig sei.
Nach dem neuen Wahlrecht sollen 50 der 121 Bürgerschaftssitze über eine „Landesliste“ der Parteien und 71 über 17 „Wahlkreise“ vergeben werden. Dabei kann jeder Bürger auf beiden Listen fünf Stimmen vergeben und wahlweise für eine Partei als Ganze oder einzelne Kandidaten votieren.
Reinert warnte davor, dass damit die Stimme eines Einzigen zu großes Gewicht erhält und machte dies an einem Rechenbeispiel deutlich. So könnten, wenn eine Partei 100.000 Stimmen für fünf Plätze bekomme, ein einzelner Wähler aber fünf Kandidaten am Listenende ankreuzt, eben diese in die Bürgerschaft einziehen. Reinert und Fischer wollen dies durch eine „Relevanzgrenze“ verhindern. So gilt ein Kandidat auf den hinteren Plätzen nur als gewählt, wenn er eine Stimme mehr als ein Fünftel von 100.000 auf sich vereint, wenn man bei dem Rechenbeispiel Reinerts bleibt. Das gleiche Prinzip soll für Kandidatenlisten in den 17 Wahlkreisen gelten. Außerdem soll jedes Kreuz für eine Partei als Bestätigung der Landesliste gelten.
Dass die Parteien und nicht der Wähler die Zusammensetzung einer Fraktion bestimmen, so Reinert und Fischer, sei wichtig, weil es sonst „Promis“ zu leicht hätten und „neue Kandidaten“ oder „Experten für bestimmte Politikbereiche“ schlechte Chancen.
Noch radikaler sind die geplanten Änderungen der CDU für die Wahl der Bezirksversammlungen. Auch hier soll die „Relevanzgrenze“ die Stimmabgabe der Bürger für einzelne Kandidaten relativieren. Und es soll weiterhin eine Fünf-Prozent-Klausel geben, obwohl der Volksentscheid festgelegt hatte, dass diese entfällt.
Nicht einmal der Wahltermin bleibt. Laut Volksentscheid soll es einen Extra-Wahltermin alle fünf Jahre parallel zur Europawahl geben. Fischer und Reinert beharren auf der Koppelung an die Bürgerschaftswahl.
Die Initiatoren des Volksentscheid reagierten entsetzt auf die Pläne. Die neue Hürde sei „so hoch“, dass die von den Parteien festgelegte Reihenfolge auf den Landeslisten „praktisch nie verändert wird“, rügte Manfred Brandt von „Mehr Demokratie“.
„Die Wähler werden hier von hinten ausgetrickst“, kritisiert auch GAL-Verfassungsexperte Farid Müller und weist darauf hin, dass die Politik lernen müsse, „Volksentscheide zu respektieren“. Und der SPD-Rechtsexperte Andreas Dressel sprach von einem „Niedergang demokratischer Kultur“, dass Volksentscheide nur noch befolgt würden, „wenn sie der CDU passen“. Zwar habe das neue Wahlrecht „Macken“, dennoch würde die SPD das Ergebnis des Volksentscheids verteidigen.