: Schauen Sie sich mal um!
Fotoschau Fünfzehn Möglichkeiten, Erinnerungen zu teilen und sich Geschichten anzuprobieren: „Don’t forget me not“ von der Ostkreuzschule für Fotografie
Was man sieht? Zum Beispiel sieht man einen Baum an der Straße. Der Baum steht einsam vor einem weißen Gartenzaun, gerahmt von einer akkurat gestutzten Hecke. Menschen sieht man nicht auf diesem Bild.
Man meint sie aber zu ahnen, man spürt ihre Abwesenheit. Man mag sich so einiges vorstellen, was da alles passiert sein kann hinter dieser aus dem Baum und der Hecke und dem Gartenzaun gebildeten Wand.
Vielleicht auch, weil da eine leichte Unschärfe ist in dem Bild. Was Verwischtes. Traumhaftes. Das natürlich mit dem Unscharfen, Ungefähren genau so gewollt ist.
Was man sich da alles vorstellen kann beim Beschauen des Bildes, ein Foto, und als Geschichte für sich anprobieren mag, was da passiert ist, muss sich gar nicht mit der Intention des Fotografierenden fügen. Man sieht, was man sieht. Und man sieht, was man zu sehen meint. Das Dazwischen, das ist die Wirkkraft der Fotografie – die ja einen Augenblick festhält und dann loslässt und das Bild den Augen der Betrachtenden anvertraut.
Das Bild mit dem Baum hat Martina Zaninelli gemacht für ihr Projekt „Sound of silence“. Darin versucht sie, das familiäre Schweigen über den Zweiten Weltkrieg aufzubrechen und zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu vermitteln. Judith Horn widmet sich mit „Oma“ ihrer Großmutter, Ania Kaszot setzt in „Ein Wunsch frei“ einen Vater und seine Tochter ins Bild … Geschichten, Möglichkeiten. Zu sehen sind sie in der Alten Feuerwache in Friedrichshain in der gerade eröffneten Schau „Don’t forget me not“, einer Ausstellung der Ostkreuzschule für Fotografie mit 15 Positionen aus dem Seminar Linn Schröder.
Und wer die Geschichten mit den Fotos begleiten will, kann wirklich weit herumkommen: Nach Berlin geht die Schau auf Wanderschaft und ist im Juni noch in Athen und im September in Bozen zu sehen. (tm)
„Don‘t forget me not“: Alte Feuerwache, Marchlewskistraße 6. Di–Do 11–19 Uhr, Fr–So 12–20 Uhr, bis 4. Juni
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