Das ganze All in einem Zimmer

Off Das „Theater das Zimmer“ im Stadtteil Horn beweist, dass Schauspielkunst auch abseits des kulturellen Zentrums und jenseits der großen Häuser florieren kann

Raten sie mal, wo der depressive Roboter Marvin steckt? Tipp: Große Requisiten braucht das kleine Theater nicht Foto: Anders Balari

von Tobias Brück

Nur wenige Zentimeter liegen zwischen Rampe und Zuschauerraum. Die Schauspieler begrüßen beim Betreten das Publikum, der Regisseur huscht noch kurz vor der Aufführung über die Bühne und gibt Requisiten an. In Hamburgs kleinstem professionellen Theater lässt sich Schauspielkunst hautnah erleben. Im intimen Setting des „Theaters das Zimmer“ im Stadtteil Horn sieht man jeden Schweißtropfen, hört jedes Knistern, jedes Stühlerücken. Foyer, Bühne, Zuschauerraum, Lichtregie und Bar befinden allesamt in einem einzigen Raum, auf gerade einmal 50 m².

„Das Publikum bestimmt den Abend mit“, sagt Lars Ceglecki, einer der Leiter des Theaters. Die familiäre Atmosphäre zieht in den Bann und macht den besonderen Reiz der Spielstätte aus. Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum sich das „Theater das Zimmer“ im Theaterbetrieb etablieren konnte. Gegründet wurde es von Jan Holtappels, Lars Ceglecki und Sandra Kiefer in den ehemaligen Räumen des „Theaters in der Washingtonallee“. 15 Jahre lang hatte die Schauspielerin und Regisseurin Angelika Landwehr dort Hamburgs einziges Zimmertheater im Alleingang betrieben. Im Juli 2014 stellte es den Spielbetrieb ein, nachdem die Förderung gestrichen worden war. Holtappels, Caglecki und Kiefer ergriffen die Chance und traten die Nachfolge an.

Die drei kannten sich schon länger aus der freien Theaterszene und planten gerade eine gemeinsame Produktion. Als sie von der Möglichkeit erfuhren, das Theater zu übernehmen, konnten sie nicht widerstehen. „Es war schon immer ein Traum von mir, ein eigenes Theater zu leiten“, sagt Caglecki. „Dieser Raum gibt uns die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung.“

Die frisch gebackenen Theaterleiter investierten ihr eigenes Geld in die Renovierungs- und Umbaumaßnahmen: Neue Scheinwerfer wurden installiert, neue Bühnen- und Podestkonstruktionen errichtet. Und auch alle anstehenden Aufgaben übernimmt das Trio gemeinsam. Sie stehen entweder als Schauspieler auf oder als Regisseure hinter der Bühne. Das Programm planen sie zusammen und auch die organisatorischen Aufgaben teilen sie sich. Neben den drei festen Mitgliedern werden je nach Produktion auch andere Schauspieler, musikalische Leiter, Bühnenbildner oder auch Gastregisseure engagiert.

Die Theaterleiter zahlen sich selbst kein Gehalt aus, um die Liquidität des Theaters zu sichern. Denn die Spielstätte erhält zurzeit keine institutionelle, sondern nur projektbezogene Förderungen der Kulturbehörde. Die ersten zwei Jahre erhielt das „Zimmer“ gar keine Förderung, in der vergangenen und der aktuellen Spielzeit wurde jeweils eine Theaterproduktion mit öffentlichen Geldern unterstützt. Deshalb ist das Theater auf die Ticketeinnahmen angewiesen – die reichen aber oft nicht, um die entstandenen Kosten zu decken. „Wir hoffen, dass wir in zwei Jahren eine institutionelle Förderung beantragen können“, sagt Caglecki.

Im Stadtteil gut vernetzt

Anfang dieses Jahres stand das Theater nach einem Einbruch übrigens tatsächlich kurz vor dem Aus. Nur durch die Solidarität aus der Theaterszene und Spendengelder konnte das „Zimmer“ überleben. Aber der Einbruch verschaffte dem Theater auch mehr Aufmerksamkeit, längst hat es ein breites (Stamm-)Publikum.

Das liegt auch an der guten Vernetzung im Stadtteil. Nach anfänglicher Skepsis der Horner ist das Theater gut im Viertel angekommen. Auch aus der Innenstadt macht man sich auf den Weg in die kulturelle Peripherie, aber viele Zuschauer kommen aus Horn, Hamm oder Billstedt. Die kulturelle Belebung des Stadtteils verstehen die Theaterleiter denn auch ausdrücklich als einen Teil ihrer Arbeit, dazu gehören inszenierte Stadtteilspaziergänge, Schauspielkurse und ein Chorprojekt.

Derzeit ist Douglas Adams’Sci-Fi-Satire „Per Anhalter durch die Galaxis“ zu sehen. Doch wie passt die ganze Galaxis auf gerade mal 50 m²? „Wir widmen uns gerne großen Werken“, sagt Regisseur Holtappels. „Es ist eine Herausforderung, den Stoff auf seine Essenz zu verdichten.“ Er wählt die Form eines Live-Hörspiels, um die immerhin fünf Bände umfassende Reise Arthur Dents auf die Bühne zu bringen. Eine Erzählerin führt durch die Geschichte, Dialoge werden in kleinen Szenen illustriert.

Indem es vor allem auf Klangbilder und nicht so sehr auf visuelle Eindrücke setzt, gelingt es dem Ensemble, die Zuschauer mit eigenen sphärischen Arrangements und klanglichen Untermalungen des Textes trotz eines minimalistischen Bühnenbildes auf eine träumerische Reise ins Universum mitzunehmen und dabei sowohl die Komik als auch die Tiefe des Stoffes herauszuarbeiten. Die ganze große Galaxis in einem kleinen Zimmer: So passt es.

Theater das Zimmer, Washingtonallee 42; www.theater-das-zimmer.de

Nächste Aufführungen von „Per Anhalter durch die Galaxis“: So, 14. 5., 18 Uhr, Fr, 19. 5. + Sa, 20. 5., jeweils 20 Uhr