Spiegel der schwierigen Zeiten

Wohnen Laut dem neuen Mietspiegel ist die Durchschnittsmiete stärker gestiegen als erwartet. Das setzt die rot-rot-grüne Koalition bei dem Thema noch stärker unter Druck

„Die neuen Zahlen über steigende ­Mieten sind ein Alarmsignal“

Katrin Schmidberger, Grüne

von Uwe Rada

Noch ist der neue Mietspiegel nicht veröffentlicht – doch eine Zahl, die vorab bekannt wurde, sorgt bereits für helle Aufregung: Innerhalb von zwei Jahren, so berichtet es die Berliner Zeitung, ist die durchschnittliche Miete in Berlin von 5,84 Euro pro Quadratmeter nettokalt auf 6,40 Euro gestiegen. Das ist ein Anstieg von fast zehn Prozent.

Sollte die Zahl stimmen – den Mietspiegel stellt Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) kommenden Freitag vor – hätte Rot-Rot-Grün ein Problem. Ausgerechnet die Koalition, die angetreten ist, eine Wende in der Wohnungs- und Mietpolitik voranzutreiben, müsste zugeben, dass alle politischen Maßnahmen den rasanten Mietanstieg nicht verhindern konnten. „Die neuen Zahlen über steigende Mieten sind ein erschreckendes Alarmsignal“, erklärte die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, Katrin Schmidberger.

Die Grünen haben bereits die Verantwortlichen ausgemacht. „SPD und CDU haben noch bis zur Bundestagswahl Zeit, endlich die Lücken im bundesweiten Mietrecht zu schließen“, so Schmidberger.

Tatsächlich sind es wohl die hohen Mieten bei Wiedervermietung, die in den vergangenen beiden Jahren die Durchschnittsmieten nach oben getrieben haben. Gleichzeitig bedeutet das, dass die von Justizminister Heiko Maas (SPD) im vergangenen Jahr eingeführte Mietpreisbremse nicht wirkt. Zwar darf die Miete beim Wohnungswechsel seitdem nicht höher als zehn Prozent über dem Mietspiegel liegen. Doch das Gesetz hat zahlreiche Ausnahmeregeln.

So gilt die Mietpreisbremse zum Beispiel nicht, wenn eine Wohnung zuvor umfassend modernisiert wurde. Der Vermieter kann dem neuen Mieter in diesem Fall nicht nur die Modernisierungskosten aufbrummen – er kann auch verlangen, was der Markt hergibt. Auch deshalb fordert Schmidberger die Bundesregierung auf, nicht nur die Mietpreisbremse zu verschärfen, sondern auch die Modernisierungsumlage von derzeit 11 Prozent der Kosten zu reduzieren.

„Immer mehr Mieter fürchten um ihre Wohnung“, erklärte gegenüber der Berliner Zeitung Mietervereinschef Reiner Wild. Tatsächlich zeichnet sich ab, dass sich die bisherige Zweiteilung auf dem Berliner Wohnungsmarkt auflöst. Exorbitante Mieten mussten bislang nur jene zahlen, die eine Wohnung suchten. Wer schon eine hatte, konnte sich dagegen halbwegs sicher fühlen. Das dürfte sich mit dem neuen Mietspiegel ändern. Denn jeder Vermieter kann seine Miete nun um die entsprechenden Spannen erhöhen – allerdings maximal um 15 Prozent in drei Jahren.

Besser stehen nur die Mieterinnen und Mieter da, die in einer der 300.000 Wohnungen der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften leben. Bei ihnen darf die Miete – auch wenn der Mietspiegel andere Möglichkeiten böte – lediglich um acht Prozent in vier Jahren erhöht werden.

Die Pressestelle von Bausenatorin Lompscher wollte sich zum Mietspiegel am Freitag nicht äußern.