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Mitleben und mitsterben

ROADTRIP Das Altonaer Theater bringt den Debütroman „Sophia, der Tod und ich“ von Tomte-Sänger Thees Uhlmann auf die Bühne. Bei den stilleren Fragen hakt’s aber noch

von Katrin Ullmann

Vor der Aufführung heißt es: „Bitte schalten Sie Ihre Mobiltelefone aus. „Und“, so ergänzt die freundliche Stimme, „ich muss Sie noch auf etwas Unangenehmes hinweisen: Sie werden sterben.“ Eine kurzes Innehalten in den Stuhlreihen, eine Schreckstarre zuckt durch die fahrige Suche nach dem Handy. Dann verlegenenes Lachen im Publikum.Doch, na klar, der Tod. Schließlich steht „Sophia, der Tod und ich“ auf dem Programm. Es ist der Debütroman des Musikers Thees Uhlmann. Uhlmann, einst Sänger der Band Tomte, ist seit einiger Zeit als Solist unterwegs und sowieso auch als Autor – etwa für Spex und Musikexpress. Jetzt hat er seinen ersten Roman veröffentlicht, ein Roadtrip.

Das Essener Grillo-Theater brachte das Theaterstück dazu Anfang März erstmals auf die Bühne, Regisseur Hans Schernthaner zog mit einer eigenen Fassung am Altonaer Theater nach. Es ist ein Abend, der vom Leben erzählt und natürlich vom Tod. Einer, der heiter ist und auch melancholisch. Und einer, der dabei glücklicherweise nicht „sowas von scheiße traurig ist“, wie der Protagonist und Ich-Erzähler bemerkt.

Für diesen Ich-Erzähler (Stephan Möller-Titel) ist die Ausgangssituation jedoch recht ausweglos. Als es bei ihm klingelt – selten genug kommt das überhaupt vor – steht ausgerechnet der Tod (Joseph Reichelt) vor der Tür. Drei Minuten habe er noch zu leben, verkündet dieser höflich. Dann klemmt er sich seine Aktentasche unter den Arm, setzt sich auf den Duschwannenrand, schaltet die Stoppuhr an und wartet. All dies tut er mit zurückhaltender Vertreterroutine. Dass während dieser (Sterbe-)Minuten ausgerechnet Sophia (Anjorka Strechel), die Ex-Freundin des Protagonisten klingelt, rettet dem Ich-Erzähler zumindest vorübergehend das Leben.

Da er noch einmal seine Mutter (Hannelore Droege) sehen möchte und vor allem seinen Sohn, der irgendwo im Süden des Landes bei einer seiner anderen Ex-Freundinnen aufwächst, beginnt alsbald ein kurioser Roadtrip mit oben genannter Belegschaft. „Der Tod, Sophia und ich“ machen sich mitsamt Mutter als fremdelnde Zweckgemeinschaft auf den Weg: mit dem Zug, mit dem Auto, quer durch die Republik. Missverständnisse, Gereiztheiten und Versöhnungssex gibt’s natürlich inklusive.

Regisseur HansSchernthaner gelingt ein amüsanter, aber auch ein bisschen belangloser Abend

Für die Idee des Roadtrips findet Bühnenbildnerin Sonja Zander ein gutes Bild. Mittig in den Raum hat sie eine Straße gesetzt, die sich gen Bühnenhimmel in die Kilometerunendlichkeit verliert. Auf halber Strecke wird der Asphalt von einer Bodenwelle ausgebremst. In diesem naturalistischen Minimalismus behaupten die Protagonisten den Rest: den Bartresen, an dem sie für ein paar Bierchen hängenbleiben, den Mittagstisch, an dem die Mutter des Ich-Erzählers ihnen Eintopf serviert, die Hotelrezeption, an der Norman Bates (Manuel Klein) ihnen für einen Zwischenstopp bedrohlich stumpf die Doppelzimmer zuweist.

Hans Schernthaner folgt ganz einfach dem lapidaren Ton der Erzählung. Er gibt nicht viel hinzu, ein bisschen Figurenpsychologie hier, ein bisschen Skurrilität dort. Für die Lacher und einen freundlichen Flow sorgt der Text schon selbst. Etwa wenn der lebenshungrige Tod sich wie ein Kind übers Straßenbahnfahren freut, wenn er sich beseelt betrinkt und sich später das Pseudonym Morten de Sarg gibt. Wenn stillere Szenen entstehen, existenzielle Fragen – Sinn des Lebens, Verzeihen, verpasste Chancen – geklärt werden sollen, hakt die Inszenierung jedoch. Als fehle dann der Mut, für Ruhe, als überwiege die Angst vor möglichem Pathos.

Der Roadtrip ist selbstredend der leichtgängigere Part, vor allem wenn Hannelore Droege dabei als herrlich-herrschsüchtige Mutter für Pointen sorgt: „Du hast aber auch immer Pech“, kommentiert sie, als ihr ihr Sohn mit tränenschwerer Stimme von seinem baldigen Ableben berichtet. Kurz darauf ist sie die allmächtige Frau am Steuer, der Tod darf auf den Beifahrersitz: Er ist ja schließlich „so ein netter Mann“. Im Großen und Ganzen gelingt Schernthaner ein amüsanter Abend. Ein Abend, der ein paar Längen hat und auch ein bisschen belanglos ist. Aber es ist auch ein Abend, der einen mitleben und mitsterben lässt, getragen von einem lässigen Stephan Möller-Titel in der Hauptrolle.

Nächste Aufführungen: Sa, 6. 5., Di, 9. 5., Do, 11. 5., 20 Uhr, Altonaer Theater

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