»DU KANNST DAS«

VON WIBKE UND MEIKE BRUHNS

Meike: Du warst dir immer so sicher: „Du kannst alles, was Männer können und obendrein auch noch Kinder kriegen.“ Ich glaubte meiner Mutter. Lernte und studierte. Ich besah mir die Welt, besuchte eine renommierte Journalistenschule.

Die Welt stünde mir offen, dachte ich. Wörter wie Feminismus oder Gleichberechtigung waren Begriffe von gestern, Erinnerungen an längst geschlagene Schlachten.

Doch spätestens, als einer der beiden Chefredakteure eines Hamburger Magazins unserem gänzlich mit Redakteurinnen besetzten Berliner Büro einen jungschen Büroleiter vor die Nase setzte, war mir klar, dass irgendetwas an dem Kindheitscredo nicht stimmen konnte. Zumal der Knilch auch noch Frau und Baby hatte, woran wir Redakteurinnen damals aus Angst, unsere Jobs zu verlieren, nicht einmal zu denken wagten.

Mom: Ich hatte wirklich gedacht, die Schlachten seien geschlagen – und zwar von meiner Generation. Überall tauchten immer mehr Frauen auf, im Fernsehen, im Hörfunk, in den Printmedien. Bei näherem Hinsehen aber haben sie alle einen männlichen Vorgesetzten, der ihre Urlaubspläne abzeichnet (oder auch nicht), ihre Gehälter vertritt (oder auch nicht), ihnen den Platz im Blatt, ihre Sendezeit zuteilt.

Immer noch sage ich: „Du kannst in unserem Beruf alles, was Männer können.“ Nur: Lässt dich jemand? Und der Weg zurück ist verbaut. Da winkt dir höchstens das Betreuungsgeld.

Meike: Meine Frage ist nun: Wollen wir denn dasselbe wie Männer? Damals, in dem Berliner Büro des Magazins, das es längst nicht mehr gibt, wollte ich nicht. Ich hatte keine Lust, mich auf das Minenfeld zwischen zwei Machtmenschen zu begeben, die sich fleißig auf Kosten des Magazins bekriegten.

Ich wollte Geschichten erleben und schreiben, keine Themen vergeben. Dass Frau das eine tun muss, um das andere zu dürfen, war mich damals nicht klar. Als es mir klar wurde, nagte es. Ich habe versagt, warf ich mir vor.

Mom: Natürlich hast du nicht versagt. Und ein großer Spaß ist der Männerjob auch nicht immer.

Glaub mir, ich weiß das. Ich habe es damals beim ORB als Ressortleiterin ausprobiert. Aber frau muss wählen können! Die Entscheidung für oder gegen die Managementfunktion darf nicht von männlichen Strukturen bestimmt werden.

Bis es so weit ist, müssen du und alle anderen Frauen auch heute noch nagen – aber nicht an euch selbst, sondern an den Stühlen der überzähligen Kerle.

Wibke Bruhns, 74, seit über 40 Jahren Journalistin in Printmedien, Fernsehen, Hörfunk. Alleinerziehende Mutter zweier Töchter – wer sagt, das Leben müsse einfach sein? Heute Buchautorin (die Töchter sind aus dem Haus).

Meike Bruhns, 43, seit 20 Jahren Journalistin für Printmedien, TV und Radio. Erzieht Sohn und Tochter gemeinsam mit deren Vater –man muss der Mutter ja nicht alles nachmachen. Heute freischaffend, da Kinder- und Redaktionsalltag sich nur bedingt vertragen.