: Nicht ganz so rechtlos: Aldi hat Betriebsräte
„Woanders ist es doch genauso.“ So reagierten viele der Lidl-Kunden auf den Protest der Dienstleistungsgewerkschaft. Der Verweis galt vor allem dem Lidl-Konkurrenten Aldi. Doch sogar dort ist es noch ein bisschen besser als bei Lidl
„Wir verlangen nicht mehr, als im Einzelhandel üblich ist“, heißt es in einer offiziellen Stellungnahme von Lidl zur ver.di-Kundenwoche. Sogar Lidl-Mitarbeiter melden sich über das Internet zu Wort: In anderen Discountern seien die Arbeitsbedingungen identisch, wenn nicht schlechter. „Stimmt nicht“, sagt Helmut Süllwold, Fachsekretär für den Einzelhandel im ver.di-Bezirk Bochum-Herne - und belegt das am großen Konkurrenten Aldi.
„Ich möchte mich wirklich nicht vor Aldi stellen. Wenn ich in einem Aldi-Laden einkaufe, wenn ich mit Aldi-Kassiererinnen rede, erfahre ich, welch fürchterlicher Stress die Arbeit in einem Discounter ist... Aber immerhin erfahre ich es“, sagt Süllwold und weist damit bereits auf einen wesentlichen Unterschied hin. Während bei Lidl nach wie vor jegliche Form von Arbeitnehmerschutz und gewerkschaftlicher Organisation konsequent unterdrückt werde, die Mitarbeiter sich deshalb aus Angst nur anonym und sporadisch bei der Gewerkschaft meldeten, stünden bei Aldi funktionierende Betriebsräte und ein Netz von Ansprechpartnern im Hintergrund. Noch zu Zeiten des ver.di-Vorläufers HBV sei ein „Tarifvertrag über die Gestaltung der Betriebsräte“ mit dem Essener Discounter geschlossen worden, der nach wie vor Bestand habe. Ein Betriebsrat sei trotzdem noch längst nicht in jedem Aldi-Supermarkt eine Selbstverständlichkeit. Auch sei es möglich, dass viele Lidl-Filialen mit einem fairen Verkaufsstellenleiter ein besseres Betriebsklima hätten als der benachbarte Aldi. Das ändere aber nichts an der Tatsache, dass Aldi mit sieben zentralen Betriebsräten deutschlandweit sogar überregionale Strukturen habe, Lidl aber insgesamt nur neun Betriebsräte in über 2600 Filialen, die zudem nicht vernetzt seien.
Dem österreichischen Journalisten Klaus Werner geht derweil selbst das Aldi-Modell noch nicht weit genug: „Bei Aldi gibt es nach wie vor keinen Gesamtbetriebsrat“, bemängelt Werner, der zusammen mit Hans Weiss 2001 das „Schwarzbuch Markennamen“, Vorbild des „Schwarzbuch Lidl“ der Gewerkschaft ver.di, herausbrachte. Und solange das der Fall sei, gestalte sich die Arbeit der regionalen Betriebsräte und der einzelnen Räte in den Filialen weiterhin schwierig. „Gewerkschaftliche Organisation sollte bis zur nationalen Ebene eine Selbstverständlichkeit sein“, betont Werner. Nur so könnten Großkonzerne wie Aldi und Lidl wirkungsvoll unter Druck gesetzt werden.
JOS