: Ein neuer Tempel für schräge Möbel
Anfang 2004 musste das Vitra Design Museum nach vier Jahren schließen – wegen mangelnder Besucher. Jetzt wagen die Macher einen zweiten Versuch: Auf dem Pfefferberg-Gelände entsteht derzeit das neue Domizil
von Sebastian Frenzel
Vitra Design Museum Berlin – da war doch was. Im Juli 2000 eröffnete das renommierte Museum mit Stammsitz Weil am Rhein seine Berliner Dependance. Im ehemaligen Abspannwerk „Humboldt“, einem markanten Industriebau des Architekten Hans-Heinrich Müller, waren Ausstellungen zu den Architekten und Designern Verner Panton, Mies van der Rohe oder Charles Eames zu sehen. Knapp vier Jahre lang existierte das Museum in der Kopenhagener Straße am nördlichen Rand des Prenzlauer Bergs, doch dann war Schluss: Im Januar 2004 musste das Haus schließen.
Jetzt stellten die Macher das Konzept für die Wiedereröffnung des Museums vor. Im Herbst 2006 soll das Museum auf dem Gelände des Pfefferbergs sein neues Domizil beziehen. Mit dem ehemaligen Brauereigebäude hat sich das Vitra erneut für Industriearchitektur entschieden. Selbst wenn das stillgelegte Abspannwerk an der Kopenhagener Straße imposanter wirkte – auch die neuen Räumlichkeiten können sich sehen lassen. Auf zwei hohen, übereinander liegenden Industriehallen von je 600 Quadratmetern Fläche sollen ab Herbst kommenden Jahres die Exponate zu sehen sein.
Erweitert wird das Areal zudem durch einen schicken Neubau, durch den man das Museum künftig vom Teutoburger Platz aus betreten wird. Dieser White-Cube-artige asymmetrische Bau dürfte einen spannenden Kontrast zu den rot-gelben Klinkerfassaden des alten Industriebaus abgeben; neben dem Empfang werden darin das Museumscafé und der Museumsshop untergebracht. Verantwortlich für das Projekt zeichnen der Basler Architekt Dieter Thiel sowie das Berliner Büro Multiplan; die Gelder für die Baumaßnahmen stammen von der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
Noch allerdings kann man die künftige Gestaltung allenfalls erahnen. Auf dem Gelände, wo der Neubau entstehen soll, steht noch eine marode Garage, und auch die künftigen Ausstellungshallen sind bei der Präsentation am Freitagabend vergangener Woche zwar besenrein, ansonsten aber weit von ihrer Nutzbarkeit entfernt. Die eigentlichen Bauarbeiten haben noch nicht einmal begonnen. Und so gibt es außer einer Videoprojektion an diesem Abend kaum etwas zu sehen.
Gleichwohl herrscht reger Betrieb, als der Direktor des Vitra, Alexander von Vegesack, und der Leiter der Berliner Dependance, Mateo Kries, das Konzept des Hauses umreißen. Auch die Berliner Politprominenz ist vor Ort: der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit hält eine kurze Begrüßungsrede, auch Wolfgang Thierse (SPD), Bundestagspräsident und Abgeordneter für den Bezirk Pankow, steht unter den Gästen.
Die politische Rückendeckung und das öffentliche Interesse sind also zweifellos gegeben – umso mehr stellt sich damit die Frage, warum der erste Anlauf des Vitra-Museums scheiterte. „Es liegt daran, dass unser Museum sich selber finanzieren muss, und um diese Finanzierung zu erreichen, brauchen wir eine bestimmte Menge an Besuchern“, erklärt Alexander von Vegesack. „Das Interesse war auch damals sehr groß. Zur Eröffnung des Gebäudes in der Kopenhagener Straße waren mitunter ein paar tausend Personen im Hof. Aber es hat offenbar doch eine psychologische Barriere gegeben, diese zwei U-Bahn-Stationen weiter aus der Stadt herauszufahren. Bis zum Kollwitzplatz kommen die Leute, aber weiter nicht – das war unser Handicap.“
Der neue Standort – „direkt an der Grenze der Szenebezirke Mitte und Prenzlauer Berg“, so der Einladungstext – soll also mehr Besucher anlocken; der Direktor des Vitra hofft auf 80.000 bis 100.000 verkaufte Tickets pro Jahr. Damit peilt man die Mittelklasseliga der Berliner Museen an. In dieser Abhängigkeit vom Publikumszuspruch steckt dabei ein kleiner Teufelskreis privater Museen: „Die Besucherzahlen hängen natürlich vom Programm ab – die Qualität des Programms aber hängt von den Einnahmen durch die Besucher ab. Wenn ich genügend Besucher habe, kann ich im Programm etwas großzügiger und vielfältiger sein; habe ich das nicht, muss ich auf andere Einnahmequellen zurückgreifen“, so von Vegesack. Zu diesen Quellen zählen die Erlöse durch Katalogverkäufe, die Umsätze des Museumsshops oder des Museumscafés und Unterstützung durch den eigens gegründeten Freundeskreis.
Dass sich das Museum langfristig in Berlin etablieren will, zeigt neben den umfangreichen Baumaßnahmen auch der Mietvertrag, der über 25 Jahre abgeschlossen wurde. Alexander von Vegesack sieht die Design-Szene in Berlin generell im Aufwind: „Es gibt immer mehr kleine Galerien, die Design präsentieren.“ Und: „Anders als in Weil am Rhein sind die Träger in Berlin vor allem junge Leute.“
Gerade die sollen auch in Zukunft angesprochen werden. „In Japan oder Amerika arbeiten wir inhaltlich wie finanziell eng mit den Universitäten zusammen, für Berlin wünschen wir uns solche Kooperationen auch.“ Das Vitra-Museum soll eine feste Größe in der Stadt werden. Denn noch, so ergänzt von Vegesack, sei das Haus in Amerika, Japan oder Lateinamerika wesentlich bekannter als in Berlin. So steckt hinter der auffallend frühen Konzeptvorstellung am Freitag – rund ein Jahr vor der geplanten Eröffnung – sicherlich auch der Wunsch, im Gespräch zu bleiben.
Wenn die Größe über den Zuspruch bestimmt, dürfte es für die Vitra-Leute künftig jedenfalls rosig aussehen. Im neuen Haus wird etwa doppelt so viel Ausstellungsfläche wie in dem alten Gebäude zur Verfügung stehen. Im Keller soll daher künftig dauerhaft eine Auswahl aus der Sammlung des Vitra Design Museums – in erster Linie Möbel – gezeigt werden, während im Erdgeschoss wie bislang Wechselausstellungen gezeigt werden. Dass diese auch qualitativ überzeugen werden und zudem ein weites Spektrum abdecken, zeigt das bereits vorliegende Ausstellungsprogramm: Geplant ist für die Eröffnung im kommenden Herbst eine Retrospektive des Bauhaus-Designers Marcel Breuer, auf die eine Schau des italienischen „Sixties“-Designer Joe Colombo folgen wird.
Einen weiteren Pluspunkt erhofft sich das Vitra durch die Kooperation mit anderen Partnern: Auf dem Pfefferberg-Areal, das bereits auch die Galerie Akira Ikeda beheimatet, sollen sich weitere Nutzer aus den Bereichen Design, Kunst und Architektur ansiedeln. Die bislang stark verstreute Berliner Designszene könnte hier also ein mögliches Zentrum finden.