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Archiv-Artikel

Niederschlagend schöne Bilder

Das Abgeordnetenhaus zeigt 60 Fotos aus ganz Berlin. Sie zeigen Tatorte rechtsextremer Gewalt. Erstellt wurde die Ausstellung von der Opferberatungsstelle ReachOut

von Felix Lee

Eine Stadt zeigt sich gern von ihrer Schokoladenseite. Auch Berlin präsentiert sich seit gestern mit 60 großformatigen Schwarz-weiß-Aufnahmen in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses. Die Bilder zeigen den Nollendorfplatz von seiner sonnigen Seite, eine viel frequentierte Kneipenzeile im Prenzlauer Berg, eine gepflegte Straßenecke am Kurfürstendamm oder den Multikulti-Treffpunkt Kottbusser Tor. Selbst das Berliner Parlament ist zu sehen. Dennoch ist es keineswegs ein Werbegag für noch mehr Touristen. Die 60 Orte eint vielmehr ein Moment in ihrer Geschichte, der auf kleinen Texttafeln geschildert wird. An all diesen Orten kam es in den letzten drei Jahren zu rechtsextremen Übergriffen.

Organisiert wird die Ausstellung von der Opferberatungsstelle ReachOut. Sie dokumentiert seit 2002 gewalttätige Angriffe mit rechtem sowie rassistischem Hintergrund und trägt die Fälle in ihrer „Berliner Chronik“ zusammen. Mehrere hundert Berichte von Übergriffen haben sie gesammelt – bisher jedoch nur als schriftliche Zeugnisse. Angeregt durch Anfragen mehrerer Initiativen entstand die Idee, die Chronik zu visualisieren. Um die Betroffenen nicht zu gefährden, kamen Fotos der Opfer nicht infrage, erzählt Helga Seyb, Mitarbeiterin von ReachOut. Es dauerte eine Weile, bis sie auf die Idee kamen, die Tatorte fotografisch festzuhalten. Nach fast zweijähriger Vorarbeit wurde die Ausstellung „Berliner Tatorte“ gestern Abend eröffnet – von Parlamentspräsident Walter Momper (SPD), dem Schirmherrn dieses Projekts.

Der Fotograf Jörg Möller hat 60 der dokumentierten Tatorte abgelichtet. Seine Bilder selbst lassen jedoch nicht auf die Angst schließen, die die Opfer dort erlitten. Auch über den Tathergang geben sie keinen Aufschluss. Sie belegen vielmehr, dass rechte Angriffe nicht nur in so genannten Problemgebieten passieren, sondern überall und zu jedem Zeitpunkt möglich sind, erklärt Seyb. „Für rechtsradikale Gewalttäter gibt es keine Tabus“, sagte Momper in seiner Eröffnungsrede.

Mit der Schau will ReachOut ein „größeres Problembewusstsein schaffen“. Häufig hätten die Übergriffe verhindert werden können, wenn vorbeigehende Passanten eingegriffen hätten, sagte Seyb. „Eingreifen, handeln, nicht weggucken“ sei leider keine Selbstverständlichkeit. Deshalb sei die Präsentation der Tatorte auch nur ein erster Schritt, so die ReachOut-Mitarbeiterin: „In dem Moment, wo nicht dokumentiert wird, wird jedoch auch das Problem nicht wahrgenommen.“ Dass Momper die Schau im Abgeordnetenhaus präsentiert, sei ein wichtiges Signal. In vielen anderen Städten werde rechte Gewalt nicht einmal thematisiert.

Berlins Integrationsbeauftragter Günter Piening bezeichnete es bei der Vernissage als „Akt der Menschlichkeit und Solidarität, dass die Opfer nicht allein gelassen werden“. Damit zitierte er Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD). Piening versicherte, dass sich das Land Berlin auch künftig nicht aus der Verantwortung ziehen werde. Allein könne die Stadt diese Aufgabe jedoch nicht stemmen. „Vielleicht wäre darum nicht nur das Abgeordnetenhaus, sondern auch der Bundestag ein guter Standort für diese Ausstellung.“