LeserInnenbriefe
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Erspart uns eure Tagebücher

betr.: „Die ideologische Uhr“, taz vom 20. 4. 17

Dieser Text ist ein Beispiel für eine spezielle Textgattung: Junge Journalistinnen referieren Allgemeinplätze, gegebenenfalls noch den von anderen AutorInnen recherchierten Inhalt, garnieren das mit viel Ich und nennen es wegen des vielen Ichs dann Meinungsbeitrag, und am Ende gibt es für die Leser …nichts. Genau genommen ist es nicht mal ein Text, eher ein langweiliger Tagebucheintrag.

Was genau war der Punkt? Auf junge Frauen wird gesellschaftlicher Druck ausgeübt, Kinder zu bekommen? Aha. Die Zeit, in der Frauen Kinder bekommen können, ist endlich? Soso. Es sollte „unsere“ Aufgabe sein, über uns zu bestimmen – nicht die der Gesellschaft? Auch nicht neu. Kinderlose Frauen gelten als egoistisch? Hört, hört. Dann noch eine etwas pauschale Zusammenfassung der „Regretting Motherhood“-Debatte?

Am Ende des Textes hofft man auf eine rettende These – es kommt aber nur die Aufforderung, Konzepte von Weiblichkeit zu finden, die über Mutterschaft hinausgehen. Ein Meinungsartikel wäre es doch gewesen, sich die Mühe zu machen, solche Konzepte zu denken – und sie fundiert zu verteidigen. Nur jung zu sein, den eigenen Gefühlshaushalt offenzulegen, ein bisschen schreiben zu können, Frau zu sein und sich als Feministin zu verstehen, reicht noch nicht für einen guten Text. Das ist eine Textgattung, nach deren Lektüre die Leser sich irritiert fragen: Was wollte mir die Autorin (meist sind es Frauen) eigentlich sagen – und warum ist mir gerade so langweilig? Das ist Zeitverschwendung für alle Beteiligten. SONJA SÜSS, Frankfurt am Main

Please be polite in our polis!

betr.: „Ein Machtspiel, keine Richtungsentscheidung“, taz vom 24. 4. 17

Es macht einen grundlegenden Unterschied, wenn Frauke Petry beantragt, den Satz in das Grundsatzprogramm der Partei aufzunehmen: „Das Bekenntnis zur deutschen Leitkultur ist verbunden mit der Erkenntnis, dass im Hinblick auf die Kulturleistungen anderer Völker kein Anlass besteht, den nationalen Gedanken zu überhöhen“, während die frisch gekürte Spitzenkandidatin Alice Weidel in den Saal schmettert: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte!“

Das Wort „Politik“ ist abgeleitet vom und untrennbar verbunden mit dem griechischen „polis“, dem antiken Gemeinwesen schlechthin.

Die Engländer mit ihrem früh ausgebildeten demokratischen Bewusstsein haben in ihrer Sprache darüber hinaus vom gleichen Stamm das Wort „polite“ abgeleitet, was so viel wie „höflich, gebildet“ bedeutet, man kann auch sagen „im gegenseitigen Umgang korrekt“ oder „respektvoll“. So und nicht anders funktioniert Politik. Wer aber die „politische Korrektheit“ entsorgen will, bereitet einem Feld den Boden, auf dem das Ringen um Lösungen für die Zukunft Deutschlands und der Rolle Deutschlands in Europa auf das Niveau von Schlägerbanden zurückgeführt wird. Insofern sollten wir der AfD dafür dankbar sein, dass sie Frauke Petry auf ihrem Parteitag so klar und unmissverständlich abserviert und jegliche Zweideutigkeit aus dem Weg geräumt hat: Eine AfD ist eine AfD ist eine AfD …

Nur darin irrt Sabine von Orde: Der Parteitag war mehr als ein Machtspiel. Er war gewissermaßen eben doch eine Richtungsentscheidung. TORSTEN STEINBERG, Porta Westfalica

Israel wird dünnhäutiger

betr.: „Das Ende der Leisetreterei“, taz vom 26. 4. 17

Im Deutschlandfunk sagte Gabriel: „Ich verstehe nicht, warum die israelische Regierung jetzt so empfindlich reagiert – schon seit Jahren werden mit diesen Organisationen Gespräche geführt.“ Aha, es ist also nicht Gabriel, der leise tritt - die israelische Regierung ist noch dünnhäutiger als sonst. Nicht unwichtig zu wissen. JUTTA PAULUS, Neustadt