: Candygirl
GRÜNE Claudia Roth wird mit einem starken Ergebnis im Amt bestätigt
HANNOVER taz | So einig war sich die traditionell argwöhnische Grünen-Basis bei ihren künftigen ChefInnen noch nie. Claudia Roth und Cem Özdemir, die beiden Parteivorsitzenden, und Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke wurden am Samstag mit jeweils über 80 Prozent der Delegiertenstimmen im Amt bestätigt. Für eine Bundesdelegiertenkonferenz sind dies sozialistische Ergebnisse.
Besonders die Rede von Roth war mit Spannung erwartet worden. Wie hat sie das demütigend niedrige Urwahlergebnis verkraftet? Am vergangenen Wochenende hatte Roth ernsthaft überlegt, hinzuschmeißen, nachdem nur ein Viertel der Mitglieder sie im Wahlkampf ganz vorn sehen wollten. Dennoch stellte sie sich wieder zur Wahl, auch weil führende Grüne sie bekniet hatten, weiterzumachen.
In ihrer Rede am Samstagnachmittag schlägt Roth sofort den kämpferischen Ton an, den sie am besten beherrscht. „Die Trauerzeit ist vorbei! So.“ Ausrufezeichen. Punkt. „Jetzt geht es nach vorn – und ich begrüße euch mit ganzem Herzen zum letzten Jahr von Schwarz-Gelb.“ Sie ist wieder im Roth-Modus. Viele der Delegierten schreien vor Begeisterung. So lieben sie ihre Claudi.
Alle sind fest entschlossen, Roth wieder ins Amt zu jubeln. Zu groß wäre der Schaden, wenn sie kurz vor dem Wahljahr ausfiele. Als Roths Ergebnis (88,49 Prozent) auf der Großleinwand aufleuchtet, fliegen Bonbons durch die Luft. Candy für Claudia, dieses Mal in echt, nachdem es im Internet zum viel zitierten Candystorm kam.
Natürlich ist das alles eine riesige Inszenierung. Der Kämpfersound. Die Jauchzer. Die Begeisterung. Roth, die die Basis immer als ihre Verbündete betrachtete, muss die Urwahl wie einen Vertrauensbruch sehen. Diese Verletzung wird bleiben.
Und alle im Saal kennen die Satzung der Grünen. Nur zwei der sechs Mitglieder des Bundesvorstands dürfen ein Mandat neben ihrem Parteiamt haben. Von den wiedergewählten sechs streben aber fünf genau dies an: Roth, Özdemir, Lemke und Malte Spitz wollen in den Bundestag, und Astrid Rothe-Beinlich sitzt im Thüringer Landtag.
Die sozialistisch gewählten Chefs bilden also einen Vorstand auf Abruf. Das Verhältnis untereinander gilt zudem als zerrüttet. Die Vorstände hätten einen wackligen Burgfrieden geschlossen, heißt es. Und der halte bis kurz nach der Bundestagswahl. Dann dürfte sich auch die Frage nach Claudia Roths Zukunft neu stellen. ULRICH SCHULTE