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Archiv-Artikel

Tatort Gemüsebeet

KREISLAUF Der „Tatort“-Kommissar Mario Kopper entdeckt als Mensch Andreas Hoppe im Selbstversuch die regionale Ernährung

Kommissar und Ökoesser

Der Autor: Andreas Hoppe wurde 1960 in Berlin geboren und gemeinsam mit seiner späteren „Tatort“-Partnerin Ulrike Folkerts an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover ausgebildet. Heute lebt er in Berlin und einem Haus in Mecklenburg – und immer, wenn er als „Tatort“-Kommissar Kopper vor der Kamera steht, in Ludwigshafen.

Die Bewegung: Regionale Nahrungsmittel erleben derzeit ein Comeback: Gourmets haben Kohl wiederentdeckt, in Berlin kochen selbst Sterneköche Teltower Rübchen. Bioläden und Ökofreaks werden nicht müde, zu betonen, wie klimaschonend Nahrungsmittel aus der Umgebung sind. Und Gesundheitsexperten preisen den Vitamingehalt der frischen regionalen Produkte.

Das Buch: „Allein unter Gurken“ ist beim Piper-Verlag erschienen, ist 272 Seiten dick und kostet 16,95 Euro. Seinen Namen bekam das Werk wegen Hoppes Vorliebe für Gewürzgurken aus dem Glas – auch nachdem er wusste, was für fiese Zutaten da drinstecken.

VON JOHANNES GERNERT

Zwölf Monate lang nur essen, was in der näheren Umgebung gewachsen ist. Regionale Kost kaufen und selbst anbauen. Wie anstrengend ist das denn? Der „Tatort“-Schauspieler Andreas Hoppe hat es ausprobiert, er hat einen Selbstversuch gestartet und ein Buch darüber geschrieben. „Allein unter Gurken“ heißt es.

Mit Schwung kommt Hoppe ins Café gefedert – „Hi, ich bin der Andi“. Schwarze Lederjacke, an der Hand ein schwerer Ring. Hoppe ist ein bisschen Italo-Kopper, der Kommissar, den er für den SWR neben Lena Odenthal spielt, bodenständig-ironisch. Die „Tatorte“ dreht Hoppe in Ludwigshafen, er wohnt in Berlin und hat ein Haus mit viel Garten in Mecklenburg. Um diese drei Wohnsitze herum hat er einen Kreis von hundert Kilometern gezogen, weiter durften die Nahrungsmittel für seinen einjährigen Selbstversuch nicht angereist sein. Das war die Grundregel. Ausnahmen erlaubt.

Er hat Listen gemacht, gelbe, rote und weiße, um damit die Herkunft seines Essens zu erfassen. Hat Kornkaffee ausprobiert, fand er nicht so toll. Hat selbst angebaut, auf dem Balkon oder im Beet. Und hat Leute getroffen, die ihm gezeigt haben, wie das mit dem regionalen Versorgen besser geht. Mit seiner Koautorin Jacqueline Roussety hat er Fakten zusammengetragen. Ist der Apfel aus Deutschland ökorrekter als der aus Neuseeland? Was frisst mehr Energie, der Flug oder die Apfel-Kühlhalle, die dafür sorgt, dass es Äpfel auch lange nach der Erntezeit überall zu kaufen gibt? Hoppe hat das alles nicht verbissen betrieben, eher mit der Gelassenheit seiner italienischstämmigen „Tatort“-Figur. Ein Riesenspaß war das, sagt er.

Doch kaum hatte er das Buch auf der Frankfurter Messe vorgestellt, schon kamen Journalisten und wollen seinen Bio-Berechtigungsschein für Umweltveröffentlichungen sehen. Wieso jetzt auch noch er darüber schreibt? Und bitte: mit welchem Recht? Wie ihn so was nervt, sagt er.

In bester Absicht

Es neigt so mancher „Tatort“-Kommissar zum Umweltaktivismus. Ulrike Folkerts, Hoppes Kollegin, setzt sich mit ihm für besseres Catering ein und fordert in der Bioladen-Zeitschrift Schrot & Korn mehr Ökobewusstsein. Der Kieler Kommissar fährt einen Gas-Passat, sein Darsteller Axel Milberg wirbt für das Portal Utopia.de. Felix Klare, der neue Stuttgarter, sagt, Bioessen müsste einfach Essen heißen, und das andere, das unnatürliche, ein Label bekommen. „Sehr clever“, lobt Hoppe. Nicht auszuschließen, dass sein Italo-Kopper mal etwas Ökomäßiges macht, sagt er. Im Englischen übrigens gebe es ein fast noch besseres Wort für bio: organic, organisch. Um das Lebendige, den Kreislauf zu betonen. Diese Biosache ist ihm fast zu plakativ. Die Deutschen halt! Neigen zum Ökopolizistentum.

Er selbst ist kein Dogmatiker. Er handelt in bester Absicht, mal sehen, was rauskommt. Doch manches im Buch klingt schon nach Klischee. Er preist die Ursprünglichkeit auf dem Land, wenn Nebelschwaden übers Feld ziehen. Erzählt in Sepia-Sprachtönen von der Unberührtheit im Berliner Schrebergarten von Omma und Oppa. Vor den Kapiteln seines Buches stehen Zitate. Etwa jene Cree-Indianer-Weisheit der Siebziger-Ökos, die endet auf: „… werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann!“ Ist das nicht mächtig bio-pathetisch?

Nein, findet Hoppe. „Das ist einfach ein Spruch von Cree-Indianern, den andere Leute benutzt haben.“ Das mache ja nicht falsch, was die Cree sagen, die er übrigens auch schon besucht hat. Für ihn geht es darum, Einsichten zu gewinnen und zu versuchen, im Kleinen Sachen zu verändern. Gerade jetzt sei das wichtiger denn je, von der neuen Regierung brauche man nicht viel erwarten. Die Leute sollen Vergnügen haben, wenn sie Tomaten auf ihrem Balkon ziehen. „Ob sich jemand dann Öko nennt oder Freizeitöko oder Indianer-Liebhaber oder Gourmet, das ist mir ziemlich schnurz.“

Dass das regionale Ernähren mit Gemeinschaft zu tun hat, weiß Hoppe seit seiner Kindheit im Schrebergarten. Und erlebt es jetzt wieder mit seinen Nachbarn in Mecklenburg. Man tauscht: Gemüse, Obst, Ideen. Magst du ein paar Äpfel? Ja, gern, ich hab Pflaumen für dich. Wie geht das mit dem Hochbeet? Unten Dung, Wiesenmark, dann wachsen die Tomaten höher.

Diese Biosache ist Hoppe fast zu plakativ. Die Deutschen halt! Neigen zum Ökopolizistentum

Zu Moshiri gehen, riechen

Frische Ideen hat Hoppe auch in Berlin gefunden, in Dr. Moshiris Kräutergarten, ein paar Fahrradminuten von seinem Kiez entfernt. Dr. Moshiri ist Perser und züchtet 400 Kräuter, einige davon hat er eigens nach Europa eingeführt. Die Münchener „Tatort“-Kollegen könnten sich von Moshiri weder Pfefferminz noch Safran schicken lassen, weil der nur so weit liefert, dass die unbehandelten Pflanzen ihr volles Aroma behalten. Man muss zu Moshiri und daran riechen, findet Hoppe und erinnert sich: „Du hattest nur Blätter gegessen und warst begeistert und fast satt.“ Er lässt sich gern begeistern, von Biobäckern und Ökometzgern um die Ecke, von seinen Mecklenburger Nachbarinnen, die ihm erzählen, wie man Möhren knackig über den Winter bringt.

Im Eiscafé Feodora, in dem er jetzt sitzt, gibt es Frühstück. Mit Öl beträufeltes Fladenbrot, Avocadopaste, Schafskäse, Pfefferminztee mit Moshiri-Kräutern. Es ist nicht alles öko hier, wahrscheinlich sind die Trauben mehr als hundert Kilometer weit gereist. Doch da gibt es dieses Kräutereis: Besitzer Recep Agtas hat irgendwann angefangen, mit Dr. Moshiris Kräutern zu experimentieren – bis ein Eis herauskam, mit dessen Geschmack er zufrieden war. Ein türkischer Migrant, der sein Eis mit regionalen Biokräutern eines persischen Einwanderers mischt – das ist es, was Hoppe einen „Kreis“ nennt. Er will, dass die Sache mit der regionalen Ernährung viele Kreise zieht, gerne kleine erst mal. Die Kräutereiskugeln – das ist doch ein Anfang! Ist das nicht schön?

Hoppe erfreut sich an seinen regionalen Kreisläufen. In seinem Mecklenburger Dorf hat er neulich aus seinem Buch vorgelesen. Dort bauen alle selbst an, sind also einerseits umweltbewusst. Mit Flugobst, sagt Hoppe, und mit der Kerosinverschwendung haben sie dagegen nicht viel Erfahrung. Eingeflogen wurde in die DDR ja wenig. Nach der Lesung kam eine der Landfrauen und hat ihm gesagt, wie viel besser sie das jetzt versteht, auch das mit dem Kaffee, was der die Umwelt kostet, und dass sie künftig stärker darauf achten wird beim Einkaufen. Und da hat es wieder so einen kleinen Kreis gezogen.